1.1.2020

Glück und Segen zu Neujahr

Zum neuen Jahr wünsche ich Ihnen Glück und Segen. Im Januar 1990 habe ich im Deutschlandfunk Morgenandachten zum Thema Glück gehalten. Meine Ausführungen dazu finden Sie nun zu Beginn des Jahres 2020 hier auf meiner Internetseite.

„Beatitudo" heißt das lateinische Wort für Glück. Was aber ist Glück? Eine Unterscheidung zwischen „Glück“ und „Heil“ läßt sich als Gegensatz zwischen „irdisch“ und „ewig“ verstehen.

Nachfolgend eine vorsichtige Annäherung an den schwer faßbaren Begriff Glück: Es handelt sich um einen Augenblick der Leichtigkeit, der Unbeschwertheit, des Sich-frei-Fühlens von inneren und äußeren Spannungen, um Eins-Sein mit sich selbst und seiner Umgebung, um einen Zustand der Harmonie. „Wunschlos glücklich“ zu sein, ist ein Ideal.

In der christlichen Theologie ist die Rede von „Glück“ auf der einen und „Heil“ auf der anderen Seite. Heil ist der umfassende Begriff im Sinn von „von Gottes Willen her den Menschen zugedacht“. Glück umschreibt die Beglückungserfahrung aus Sicht des Menschen, es bezeichnet seine persönliche Wahrnehmung, Empfindung und Erfahrung. Heil hingegen ist der Maßstab dessen, der uns Heil zuwendet, und das ist Gott.

Großes Glück – Kleines Glück

Wenn Sie heute einen Gedenktag oder Festtag haben, werden Ihnen Menschen vielleicht Glück wünschen. Welches Glück meinen wohl diejenigen, die es wünschen, und was verstehen jene darunter, denen es gewünscht wird?

In uns Menschen liegt eine Sehnsucht nach einem überwältigenden Glück. Hinter allem, was wir tun, steckt das Verlangen, glücklich zu werden und zu bleiben. Selbst wenn wir es wollten, wären wir gar nicht fähig, uns zu wünschen, unglücklich zu sein. Dennoch tun wir häufig alles, um das Ganz-Große-Glück zu vermeiden. Spüren wir vielleicht ganz tief in unserem Innern, daß wir es gar nicht ertragen könnten? Abgesehen von Sternstunden, in die eine Ahnung von Ganz-Großem-Glück hineinstrahlt, ist für uns nur ein kleines bescheidenes Alltagsglück erfahrbar.

Wer sich nach Glück sehnt, sucht Ganzheit; diese aber können wir letztlich nur in Gott finden. Augustinus ruft in seinen „Bekenntnissen“ aus: „Du hast uns auf dich hin erschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ Die Ruhe in Gott, das Leben mit Gott in der Herrlichkeit des Himmels, das ist das Ganz-Große-Glück.

Das kleine bescheidene Glück auf Erden erfahren wir als Harmonie in der Spannung des Lebens, als Eins-sein mit dem, was wir lieben. Wenn in der Schöpfung auch alles mit allem verbunden ist, so ist ihr doch auch Trennung und Aufteilung wesentlich. Durch die Sünde sind die Trennlinien zu Mauern und Gräben geworden. Christus hat für uns diese Trennwände niedergerissen (vgl. Eph 2,14). Durch ihn und in ihm erfahren wir, daß Trennlinien nicht zu Abtrennungen werden, sondern auch Wege der Durchlässigkeit sind. Erst wenn die Erlösung am Ende der Zeiten vollendet ist, wenn Gott wieder „alles in allem ist“ (vgl. 1 Kor 15,28), dann werden wir mit dem Ganz-Großen-Glück beschenkt. Bis dahin sind wir in gewissem Maße alle „unseres eigenen Glückes Schmied“; denn an dem kleinen bescheidenen Glück können wir mitwirken, indem wir in uns Harmonie leben lassen und unsere Umwelt von dieser Erfahrung her sehen und gestalten, die Polarität des Lebens annehmen und weder etwas abspalten noch verteufeln, sondern akzeptieren, daß alles mindestens zwei Seiten hat, eine positive und eine negative, und daß beide nötig sind. So bekommt ein Magnet seine Funktionsfähigkeit erst durch seinen positiven u n d seinen negativen Pol. Auf dieser Erde gibt es nichts, was nur gut, aber auch nichts, was nur schlecht ist.

Es gilt, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Wem man auf dieser Erde Glück wünscht, dem erhofft man die Fähigkeit, die Spannung des Lebens auszuhalten; denn der Mensch ist glücklich, wenn er ein „Pontifex Oppositorum“ zu sein vermag, ein „Brückenbauer zwischen den Gegensätzen“. Das Ganz-Große-Glück liegt in Gott, der die „Coincidentia Oppositorum“ ist, derjenige, in dem alle Gegensätze zusammenfallen.

So wünsche ich Ihnen viel Glück für diesen Tag!