8.5.2019

Gotteshand

Die Hand ist das älteste Bild für die Wirklichkeit des personalen Gottes. Solange Gott selbst in der Kunst nicht als Person dargestellt wurde, findet sich bis ins 13. Jahrhundert die Hand als sein Ideogramm, meist als eine aus den Wolken herabkommende „Dextera Dei – rechte Hand Gottes“.

Eine gespreizte Hand findet sich schon als Sonnensymbol in Höhlen;

 

 

die Griechen verehrten die „Sonnenfingrige Eos“, und die Ägypter versahen Atons Sonnenstrahlen mit Händen.

Göttern, Riesen und Helden wird Vielhändigkeit zugeschrieben.

Wir können Gott nicht schauen, wie er ist. Wenn wir über ihn spre­chen, nehmen wir Erfahrungen aus unserem Lebensbereich und über­tragen sie auf ihn. So identifizieren wir ihn mit der intensivsten Er­fahrung unseres Lebens, mit der Liebe. Liebe ist eine Wirklichkeit, aber sie ist nur Wirklichkeit, wenn sie wirkt. Ein wichtiges Instrument ihres Wirkens ist die Hand, mit ihr handelt und be-handelt der Mensch.

Das hebräische Wort „יד - jad“ bedeutet gleichzeitig Hand und Macht. Die Hand wird gleichgesetzt mit dem Stab in der Bedeutung von Ge­walt und Macht. Das zeigen zum Beispiel die Ausdrücke „etwas in der Hand hal­ten“, „etwas aus der Hand geben“.

Der Begriff „Vormundschaft“ (von ahd. munt = Schirm, Schutz, Gewalt) geht unter anderem auch auf die lateinischen Substantive manus = Hand, potestas = Vollmacht, Amtsgewalt und auctoritas = Ansehen, Geltung zurück.

Israel drückt seine Erfahrung mit Jahwe in dem anschaulichen Bild der sich am Volk machtvoll erweisenden „Hand Gottes“ aus. Es geht um die Erfahrung der rettenden Eingriffe, schützender Machterweise und befreiender Neuschöpfung, aber auch richtender und strafender Ein­griffe. Die Hand Jahwes ist Bild der alles umspannenden Heilsmacht Gottes, von der Schöpfung bis zum Eschaton, von der Zeugung bis zum Tod liegen Welt und Mensch in Gottes Hand.

 

Das Neue Testament greift das Bild der Hand Gottes auf und formt es weiter, indem es von den heilenden und damit heilschaffenden Händen Jesu erzählt. Unsere Hände sollen das fortsetzen, was Jesus zu seinen Lebzeiten mit seinen Händen getan hat.

Das ist auch die Botschaft des 1929 von Heinrich Bäumer (1874-1951) geschaffenen Kreuzes in der St.-Ludgeri-Kirche in Mün­ster. Es wurde im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges so schwer beschädigt, daß dem Korpus beide Arme fehlen. An deren Stelle befindet sich jetzt auf dem Kreuzesholz der Satz: „Ich habe keinen anderen Hände als die eueren!“

 

 

Der chinesische Künstler Huang Yong Ping ließ sich unter anderem von dem Kreuz in der St.-Ludgeri-Kirche inspirieren und schuf für die Skulpturprojekte 1997 vor der Kirche, auf dem Marienplatz, den mit 50 Armen modellierten „Flaschentrockner“, der auch auf die buddhistische Göttin Guanyin verweist. Diese trägt jedoch in ihren 1000 Händen religiöse Gegenstände, wohingegen der Künstler hier die Hände mit Alltagsgegenständen versehen hat.

Es gilt auch: „Das Unerhörte – in Gottes Hand zu sein!“ (Dag Hammarskjöld 1905-1961); denn:
„In deiner Hand sind meine Gezeiten, entreiß mich der Hand meiner Feinde und Verfolger!“ (Ps 31,30.16) Wir können nur in die Hände Gottes fallen, aber Gottes Hände sind gute Hände. „Herr, dir in die Hände sei Anfang und Ende sei alles gelegt!“