
12.6.2023
Ist Heiligsprechung ein Akt der Unfehlbarkeit?
Papst Johannes Paul II. [1920-2005] hat vermutlich mehr Selig- und Heiligsprechungen ausgesprochen als die ganze Kirche seit ihrer Gründung.
Unter der Überschrift „Der Sünder wird heiliggesprochen“ brachte der Tagesspiegel vom 20. April 2014 ein Interview mit dem Dogmatikprofessor Peter Hünermann (* 1929).
Auf die Frage: „Warum gibt’s unter den heiliggesprochenen Politikern nur Kaiser und Könige, aber keine Demokraten?“, antwortete er: „Das hängt mit mehreren Dingen zusammen. Einmal ist Politik in Demokratien immer auch Parteipolitik. Bekäme also, sagen wir, die CDU einen Heiligen, dann bräuchte die SPD mindestens auch einen. Das ist die eine Schwierigkeit. Zum anderen hat man in der Kirche immer noch gewisse Reserven gegenüber dem politischen Geschäft. Eine interessante Form, Politiker ins Blickfeld des Glaubens zu rücken, gibt’s auf der Schwäbischen Alb. Dort hat ein Pfarrer schöne Holzfiguren in der Kirche aufgestellt. Mutter Teresa [1910-1997], Oscar Romero [1917-1980], aber auch Mahatma Gandhi [1869-1948] und Martin Luther King [1929-1968]. Da sieht man auch sofort: Die hatten alle sehr viel mit der Politik zu tun. Man sieht aber auch: Da sind konfessionelle Grenzen gar nicht mehr so gefragt. Wo es um große Gestalten in der Politik geht, die aus dem Glauben leben, da ist immer eine ökumenische Komponente mit drin, auch eine Beziehung zu anderen Religionen. Das sind Anzeichen, dass sich etwas Neues herausbildet.“
Zu den aufgeführten Gestalten Martin Luther King und Mahatma Gandhi finden sich interessante Artikel in der Zeitschrift THEOLOGISCHES, Jahrgang 21, Juni 1991: 299-310 von dem Schriftsteller und Journalisten Vittorio Messori (* 1941) und Prof. Dr. Gerhard Fitschkau [1912-2004].