Anatomie, Frau, Mensch, Körper, Haut

15.5.2020

Heilung der Seele und des Leibes

Wenn in den biblischen Heilungsgeschichten die Heilung vor allem in der Wiederherstellung der Gottesbeziehung und des Glaubens besteht, so findet ein solcher Vorgang vergleichs­weise statt, wenn der Arzt und Therapeut den Kranken zum Verstehen seiner Lebensgeschichte und seiner Krankheit führt.

In der Regel strebt die Medizin jedoch nicht die Hei­lung der Seele, sondern die Heilung des Leibes an. In vielen Fällen geht einer Erkrankung aber eine Lebensstö­rung voraus, die sich behandeln läßt, wenn der kranke Mensch sein Bedürfnis nach Liebe und Beziehung entdeckt und zuläßt.

Leibfeindlichkeit bedeutet, sich mit seinem Leib nicht an­zunehmen, in sich etwas abzutöten, zu bezwingen und zu verklemmen. Freiwerden ist mit gesteigerter, nicht mit unterdrückter Leiblichkeit verbunden. Teilhabe am göttlichen Leben be­deutet eine Überhöhung, nicht deren Abwertung. Auferstehung geschieht mit einem verklärten Leib. Die Bilder der Heiligen Schrift drücken die himmlische Wirk­lichkeit in einer verwandelten Geist-Leiblichkeit aus.

Sagt man einem Menschen: „Du bist ein sinnlicher Mensch!“, versteht er das nicht unbedingt als Lob. Eigentlich aber kann es keine bessere Qualifizierung geben; denn er lebt ein „sinn-volles“ Leben mit allen Sinnen. Sogar unser Glaube wird blaß und dünn, wenn wir unsere Sinne nicht gebrauchen. Wie wollen wir am Sinn unseres Lebens fest­halten, wenn wir nicht über unsere Sinne das Gute der Schöpfung erfahren? Sind wir in unseren Sinnen nicht gut zu Hause, verlieren wir die Verbindung zur Welt der Dinge und zu den Menschen.

Wie können wir die Verbindung zu Gott erfahren? Der heilige Ignatius von Loyola (1491-1556) kennt in sei­nen Exerzitien die Übung der Anwendung der Sinne (Exerzitienbuch 121-125), die für ein geistiges und geist­liches Leben so bedeutsam sind. Den Heiligen Geist bitten wir im Hymnus: „Accende lumen sensibus! - Entzünde das Licht für die Sinne!“, und wir bitten ihn im Gebet um das „recta sapere - das Erspüren des Rechten“. Im Blick auf unsere Person als Ganzheit von Geist, Seele und Leib sollten wir mit dem Psalmisten beten: „Gott, ich danke dir, daß du mich so wunderbar gestaltet hast!“ (Ps 139,14)