David klagt

27.4.2019

Ich kann nicht klagen!

Aus hartem Weh die Menschheit klagt, sie steht in großen Sorgen ... (Gotteslob Fulda 744)

Noch nie waren die Erde und die Menschheit so bedroht wie in unse­ren Tagen. Viel Elend erzeugen wir Menschen selbst. Wir dürfen nicht gleichgültig sein gegenüber dem Leid der Welt. Wir können anbetend vor Gott treten und wie Ijob vor ihm klagen. Ijob bäumt sich gegen Gott auf und klagt ihn an, dadurch hält er an Gott fest. Nicht Ijobs Freunde, sondern ihn selbst setzt Gott am Ende ins Recht.

Häufig hören wir: „Ich kann nicht klagen.“ Die Klagepsalmen in der Bibel jedoch ermutigen uns dazu. Ein wesentlicher Bestandteil alttestamentlicher Klage ist die Erfahrung, durch eine Gemeinschaft gestützt und unterstützt zu werden. Beim Tod eines Menschen gibt es zum Beispiel in Griechenland noch heute die Klageweiber.

Gott um Rache zu bitten, bedeutet in der Regel Verzicht auf eigene Rache. Ein von Rache besessener Mensch lebt allein von diesem Syndrom und kennt diesbezüglich keine Beziehung zu sich selbst.

Das Leiden darf nicht in seiner ersten Phase, der sprachlosen Ohnmacht, steckenbleiben, es braucht die zweite Phase, die Klage, um in die dritte Phase, nämlich die des Handelns zu gelangen. Klage ist eine Grunderfahrung unseres Lebens. Sie bewahrt vor wortloser und hilfloser Unfähigkeit, etwas zu tun.

Unsere Gesellschaft leidet an dem Unvermögen, tiefe Gefühle, besonders solche negativer Art, offen zu äußern. Leid, Not und Schmerz werden nicht herausgeschrieen, sondern unterdrückt und nach innen verdrängt.

Es gibt eine Unfähigkeit zu trauern und eine Unfähigkeit zu klagen. Es scheint der Grundsatz zu gelten: „Lerne leiden, ohne zu klagen.“ Wir sagen leicht: „Nun hör doch endlich auf!“

Treten wir heute mit den Klagepsalmen vor Gott und laden alle Menschen ein, die der Kraft des Gebetes vertrauen!

Bin ich fähig zu klagen?

Klagemauer in Jerusalem