
Impuls zum 25. Sonntag im Jahreskreis B – Wer ist der Größte? (19.9.2021)
Erste Lesung: Weish 2,1a.12.17-20
Zweite Lesung: Jak 3,16-4,3
Evangelium: Mk 9,30-37
„Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“
Diese und ähnliche Aussagen finden wir oft in der Heiligen Schrift. Dieser Hinweis scheint schon damals richtig gewesen zu sein. Er bestätigt sich durch Jesu Leben. Aber finden wir diese Wahrheit im Leben der Christen?
Es gibt viele negativ besetzte Redewendungen mit dem Wort „letzt“, wie zum Beispiel „Du bist der Letzte“, „der letzte Mensch“ oder „das Allerletzte“. Wer läßt sich schon gern so bezeichnen?
Erster zu sein, ist unser Bestreben. Wer kann sich schon mit Charles de Foucault (1858-1916), dem Beter in der Wüste, auf den die „Kleinen Brüder“ und „Kleinen Schwestern Jesu“ zurückgehen, identifizieren? Er war auf der Suche nach dem letzten Platz, und gerade deswegen ging von seiner Ordensgemeinschaft eine große Kraft aus. Aber auch das Streben nach dem letzten Platz barg die Gefahr in sich, noch „Letzterer“ sein zu wollen als andere.
Viele Theologen meinen, das Unheil für die Kirche habe begonnen, als sie unter Kaiser Konstantin (zwischen 272 u. 285-337) Staatskirche wurde und die katholischen Würdenträger den Staatsbeamten gleichgestellt wurden. Bis heute haben sich Titel wie „Eminenz“ und „Exzellenz“ erhalten.
Die Versuchung, vom letzten zum ersten Platz zu streben und damit äußere Machtstellung zu erlangen, hat der Kirche bisher kaum gutgetan. Die Lehre vom letzten Platz gilt nicht nur für die Amtskirche. Auch wir Priester müssen von unserem Sockel herunterkommen. So ist es eine Gewissensfrage: „Bin ich bereit, der Diener aller zu sein?“
Georges Bernanos‘ (1888-1948) Roman „Tagebuch eines Landpfarrers“ beschäftigt mich seit meiner Primiz. Damals wählte ich einen Satz aus diesem Buch als Primizspruch: „Wir sind nicht Herren eueres Glaubens, sondern Diener euerer Freude.“ (2 Kor 1,24)