Impuls zum 7. Sonntag der Osterzeit im Jahreskreis A (24.5.2020)

Beten in der Kirche

Schriftstellen:
Erste Lesung: Apg 1,12-14
Zweite Lesung: 1 Petr 4,13-16
Evangelium: Joh 17,1-11a

Man könnte meinen, gerade ist Jesus in den Himmel aufgefahren, da machen die Jünger es anders, als er es ihnen geboten hat. Jesus hatte gesagt: „Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“

Jesus formulierte es so, weil die Heuchler, die von den Leuten gesehen werden wollten, es anders machten.

Aber die Apostel gehen nicht einzeln in eine Kammer, sondern als Gruppe ins Obergemach und verharren dort einmütig im Gebet mit Maria und den Frauen. Sie alle stellen bereits eine betende Kirche dar. Sie erwarten zwar wie die ersten Christen noch einige Zeit das Reich Gottes, aber es kommt die Kirche.

Erwarten wir noch das Kommen des Gottesreiches, um das wir in jedem Vaterunser beten?

Die Kirche kann nicht darauf verzichten, eine betende Kirche zu sein. Was lebt noch davon in unserem Alltag? Beten wir nur in der Not?

Obwohl „beten“ von „bitten“ kommt, bedeutet es doch mehr, als von Gott etwas zu „erbitten“. Beten heißt, nicht nur mit der Seele, sondern mit Leib und Seele zu beten; denn es ist die Erhebung des Herzens zu Gott, dem Absoluten.

Gebet ist kein Mittel, um äußere Dinge zu beschaffen, sondern um Gott in die eigene Seele einfließen zu lassen. Gebet will nichts von Gott haben, sondern es vereint sich mit ihm und seinem Willen. Sich Gottes Willen zu ergeben, ist keine Resignation oder ein Sich-Schicken, sondern es erschließt die Bereitschaft zum Mittun.

Friedrich Christoph Oetinger (1702-1782) betete:
„Herr, gib mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann;
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann;
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Ein islamischer Mystiker formuliert:
„Des Gebetes beraubt zu sein, wäre für mich schwerer, als der Erhörung beraubt zu sein.“