
Impuls zum 7. Sonntag im Jahreskreis A – Aug um Aug, Zahn um Zahn (23.2.2020)
Aug um Aug, Zahn um Zahn!
Erste Lesung: Lev 19,1-2.17-18
Zweite Lesung: 1 Kor 3,16-23
Evangelium: Mt 5,38-48
Wir halten diese Vereinbarung für schlecht und entrüsten uns, wenn im Islam ähnlich geurteilt wird. Dort wird einem Dieb zwar nicht mehr mit einem Beil die Hand abgehackt, sondern sie wird stattdessen fein säuberlich amputiert.
Wir bedenken dabei aber zu wenig, daß es zur Zeit Jesu schon ein Fortschritt, eine Humanisierung des menschlichen Lebens, war, wenn man der Rache keinen freien Lauf ließ, obwohl dies vermutlich eher der Natur des Menschen entspricht.
Im Lamechlied des Alten Testamentes heißt es immerhin:
„Ja, einen Mann erschlage ich für eine Wunde und einen Knaben für eine Strieme. Wird Kain siebenfach gerächt, dann Lamech siebenundsiebzigfach." (Gen 4, 23f)
Noch immer leben viele Menschen nach der Devise „Aug um Aug ...“. Die vor allem in südlichen Ländern nach wie vor verbreitete Blutrache ist ein erschreckendes Beispiel dafür: Bei einer Fehde zwischen zwei Familien muß für einen Getöteten aus der einen Familie eine Person aus der anderen Familie sterben.
Schon im Mittelalter war es für einen Herrscher schwer, auf Vergeltung zu verzichten. Das wäre unmännlich, einem Machthaber unangemessen und ein Zeichen von solcher Schwäche gewesen, daß er hätte abdanken müssen.
Wer bringt es fertig, dem Bösen nichts Böses entgegenzusetzen? Jesus selbst schlägt nicht zurück, sondern fragt seinen Angreifer: „Warum schlägst du mich?“
Ich folge der östlichen Verteidigungsart: „Mit dem Angreifer mitgehen und ihn ins Leere laufen lassen.“
Wenn wir unsere Feinde lieben sollen, müßten wir uns zunächst klarmachen, wie es zu der Feindschaft gekommen ist. Vieles geschieht auf Grund von Feindbildern. Diesbezüglich hat uns der Osten ein wunderbares Beispiel gegeben. Michail Sergejewitsch Gorbatschow (* 1931) eignete sich nicht mehr als Feindbild. Im Gegenteil, Amerika tat alles, um ihn bei seiner schweren Reformbemühung im eigenen Land zu stützen. Leider ist er gescheitert.
Es ist an der Zeit, den Feind in uns selbst zu lieben und uns selbst ganz anzunehmen. Vollkommen sein bedeutet, ganz zu sein nach dem Auftrag Gottes: „Wandle vor mir und sei ganz!“