
12.10.2018
Ist die Maske unser wahres Gesicht?
Legen wir am Morgen nicht häufig mit der Kleidung auch eine Maske an? Da mag jemand einwerfen: „Wenn überhaupt, dann höchstens am Rosenmontag!“ Aber vielleicht lassen wir im Karneval gerade durch die Maskierung sogar die Maske fallen und zeigen unser wahres Gesicht.
Konvention, Vorschrift und Gesetz nötigen uns zu gewissen Alltagsmasken. Es kann zum Nachteil gereichen, überall das wahre Gesicht zu zeigen; wir können sogar unser Gesicht verlieren. Die Alltagsmaske dient zum Schutz für unser eigenes Innere als Wall gegen Angriffe von außen. Ich lasse mir zum Beispiel meine Unsicherheit nicht anmerken; denn ich lasse mir nicht hinter die Maske schauen.
Aus einer solchen Alltagsmaske in die Maskenfreiheit des Karnevals zu fallen, kann heilende Wirkung haben. Im Sterben fallen dann alle Masken. Daher strahlen Totenmasken große Freiheit und Gelöstheit aus sowie wahre Ruhe und Gelassenheit. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dies beim Turiner Grabtuch. Im Sterben fällt alles selbstsüchtig Ichhafte vom Menschen ab, und sein tiefstes Wesen tritt in Erscheinung.
Die selbst körperlose Seele des Menschen nimmt im Leib eine Form an. Das zeigt sich nirgendwo ausdrucksvoller als im Gesicht. Es ist gleichsam die „Maske“ der Seele. Diese bedecken wir nicht selten zusätzlich mit einer gefertigten Maske und kaschieren so unser wahres Gesicht. Aber wir können auch unser wahres Gesicht zeigen, wenn wir die Alltagsmaske mit einer Maske tauschen, die all das zum Ausdruck bringt, was auch noch in uns vorhanden ist, aber sonst nicht gezeigt werden darf.
Obwohl wir aus dem Karneval hierzulande viele verschiedenartige Masken kennen, bewundern wir in Museen die Masken aus anderen Erdteilen. Aber eine ruhende Maske ist ebensowenig in ihrem Wesen zu begreifen wie ein unbewegtes Rad. Erst im kultischen Vollzug entwickelt sie ihre Kraft.
In unserer Welt sind die ehemaligen Fruchtbarkeitsgötter zu Teufeln geworden und die Göttinnen zu Hexen.
Warum werden im Karneval wohl gerade diese Masken so gerne getragen?