15.8.2022

Kann man sich den Himmel verdienen?

Der Engel begrüßte Maria als Begnadete (vgl. Lk 1,28), voll der Gnade, wie wir im Ave Maria beten. Die Gnade hatte sie sich nicht erworben. Sie wurde ihr geschenkt für ihre vollkommene Offenheit für Gott. Wer voll der Gnade ist, dem kann nichts mehr hinzugefügt werden.

Mein Bestreben geht dahin, ein Gefäß zu werden, das Gott mit seiner Gnade füllt. Es liegt an mir, wie groß das Gefäß geworden ist, wenn die Schleier fallen und ich Gott erfahre, wie es im irdischen Leben nie möglich ist. Dann voll der Gnade zu sein, ist ein Geschenk.

Wer in ein übervolles Gefäß noch mehr hineingießt, verschüttet auch einen Teil dessen, womit es bereits gefüllt ist. Wenn ein Mensch von Gottes Gnade und Gottes Geist ganz erfüllt ist, kann das Böse nicht eindringen.

Johannes vom Kreuz (1542-1591) sagt: „Gott ist wie die Quelle, aus der sich jeder soviel schöpft, wie sein Gefäß faßt.“

Es gibt noch immer Menschen, die glauben, sich den Himmel verdienen zu können, und zwar durch Abtötung. Diese läßt sich nur schwer in einem guten Sinn als geistliches Geschehen deuten. Kaum ein Begriff der traditionellen Spiritualität ist so mißverständlich zu interpretieren wie dieser. Es gibt aber eine Aggressivität gegen sich selbst, ebenso wie Werkgerechtigkeit oder den Versuch, durch Fasten und Nachtwachen sowie Ähnlichem, Gotteserlebnisse oder auch Gottes Verzeihung, Gunst und ein Wunder zu erzwingen.

Nicht nur der Himmel ist in uns, sondern auch die Hölle. Könnten wir doch wie Maria sagen: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ (Lk 1,38)