24.11.2018

Kelch

Von den bei der heiligen Messe verwendeten Gegenständen ist der Kelch sicher der ehrwürdigste; denn er birgt das Blut des Herrn in der Gestalt des Weines.

Der Sinn eines Gefäßes erfüllt sich darin, daß es gefüllt wird. Seine Leere ist nicht leer, sie ist Hoffnung und Erwartung, sie ist Bereitschaft zur Hingabe. Sein Inhalt verleiht dem Gefäß seine Würde. Der heilige Jean-Baptiste Marie Vianney (1786-1859), Pfarrer von Ars, lebte in jeder Hinsicht sehr arm, aber für die Feier der Liturgie war ihm nichts kostbar genug. Er fuhr sogar nach Paris, um liturgische Gegenstände einzukaufen.

Nach den Worten des Apostels Paulus dürfen wir uns als Gefäße Gottes betrachten: „Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, daß das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt.“ (2 Kor 4,7)

Der Kelch symbolisiert den Menschen, der auf der Erde steht und sich zugleich mit ausgestreckten Armen nach oben öffnet, um sich von Gott füllen zu lassen. In dieser sogenannten Orantenhaltung haben die Christen der Urkirche gebetet, und so betet auch heute noch der Priester bei der heiligen Messe.

Der Kelch versinnbildlicht unser Leben: Wir sollen offene Gefäße sein. An uns persönlich liegt es, wie groß das Gefäß wird: wie ein Fingerhut, ein Schnapsglas, eine Puddingschüssel, ein Eimer oder ein Regenfaß? Am Ende unseres Lebens kommt Gott und erfüllt uns mit der Fülle seiner Gnade. Jedes Gefäß, das kleinste und das größte, wird von sich sagen: „Ich bin voll der Gnade.“

In der Meditation wird insbesondere geübt, Gefäß zu sein. Der Lotussitz und die als Schalen geöffneten Hände machen das Bild des sich zum Empfangen und zum Schenken öffnenden Gefäßes auch äußerlich sichtbar.

In einem Gebet der Töpfer von Taizé heißt es: „Herr, mache mich zu einer Schale, offen zum Geben – offen zum Nehmen, offen zum Geschenktwerden: Herr, mache mich zu einer Schale für dich, aus der du etwas nimmst, in die du etwas hineinlegen kannst. Wirst du bei mir etwas finden, was du nehmen könntest? Bin ich wertvoll genug, so daß du in mich etwas hineinlegen kannst? Herr, mache mich zu einer Schale für die Mitmenschen, offen für die Liebe, für das Schöne, das sie verschenken wollen.“

Möchte ich eine Schale werden?