12.6.2022

Kirche in der Krise

Es ist nicht zu übersehen, daß es mit der katholischen Kirche, bei den Protestanten ist es nicht viel anders, so nicht weitergeht. Die Hoffnung richtet sich auf den Synodalen Weg. Aber es wird ihm nicht anders ergehen als dem II. Vatikanischen Konzil und der Würzburger Synode. Viel hat sich danach nicht geändert. Dennoch sind im Blick auf 2000 Jahre Kirchengeschichte die Ergebnisse in bezug auf das, was sich getan hat und ich in meinem Alter von 86 Jahren alles in der Kirche erlebt habe, sehr beachtlich.

Als Kind habe ich die „Alte Messe“ gespielt, obwohl ich kein Messdiener war. In der Zeit des II. Vatikanischen Konzils bin ich zum Priester geweiht worden. Jetzt erlebe ich, wie sich die Kirche abbaut.

Ich fand beim Aufräumen einen Artikel vom November 1960, in dem man sich Gedanken machte über die Hostienform. Diesen möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.

Hostien früher und heute

 

 

 

 

Entwurf einer Stellungnahme zur Frage der Einführung einer neuen Hostienform.

An einigen Stellen Deutschlands sind neuerdings Hostienbäckereien dazu übergegangen, Hostien zu backen, welche leichter als Brot zu erkennen sind als die gewöhnlichen. Sie unterscheiden sich von den gebräuchlichen Hostien vor allem dadurch, daß sie dicker sind und etwas gelblich in der Farbe. Größenmäßig dürften sie gleich sein. Um solche Hostien zu sumieren, muß man sie entweder kauen oder verhältnismäßig lange im Mund behalten.

Im Folgenden soll gefragt werden, ob die Einführung dieser neuen Hostienform wünschenswert, tunlich und durchführbar ist.

I. Ist die neue Form wünschenswert?

Geschichtlich gesehen ist die heutige Form der Hostien im 9.-11. Jhdt. entstanden (vgl. Jungmann, Missarum Sollemnia, 3. Aufl. I, S. 111ff und II, S. 43f). Die seit der Zeit immer nachdrücklichere erhobene Forderung nach alleiniger Verwendung ungesäuerten Brotes (welche in der lateinischen Kirche Vorschrift geworden ist, während die byzantinische Kirche sie bis heute nicht mitgemacht hat) geht auf biblische Erwägungen und auch auf die damals starke Tendenz einer Angleichung der Liturgie an alttestamentliche Vorschriften zurück. Die Tatsache, daß nunmehr besonderes Brot für die Eucharistiefeier verwandt werden mußte, ließ dann den bis dahin noch in Übung befindlichen Opfergang der Gläubigen immer mehr zurücktreten.

Gleichzeitig trat der Gedanke der wirklichen Gegenwart des Herrn immer stärker in den Vordergrund; vielfach begnügten sich die Gläubigen mit dem „Anschauen“ der Gestalt. Aus Ehrfurcht vor dem Sakrament und aus Sorge, daß bei der Brechung des Brotes Krümchen verloren gehen könnten, geht man im 12. Jh. dazu über, das Brot schon von vornherein in Partikeln (unserer heutigen Gestalt) zu konsekrieren.

Die gebräuchliche Hostie ist weder ihrer Gestalt noch ihrem Geschmack nach von den Gläubigen als Brot zu erkennen. Daher ist schon mehrfach der Wunsch geäußert worden, der Hostie wieder eine mehr brotartige Gestalt zu geben. So z. B. auf dem ersten deutschen liturgischen Kongreß in München (1950) (vgl. den Bericht Eucharistiefeier am Sonntag, Trier 1951, S. 207 Bericht über die Beratungen der 4. Arbeitsgemeinschaft). Auch Otto Schöllig tritt in seinem Buch: „Die Verwaltung der Sakramente“ dafür ein (vgl. 5. Aufl. Freiburg 1958, S. 59). Fattinger (in „Lit. prakt. Requisitenkunde“ Freiburg 1955, S. 126ff) wünscht für die kleinen Hostien, daß sie „voluminöser“ sein sollen als gewöhnlich.

Wenngleich man sagen muß, daß die große Masse unserer Gläubigen kein Problem in der gegenwärtigen Gestalt der Hostien sieht und sich über deren Brotcharakter durchaus im klaren ist, wird doch durch die neue Erfassung des Sinns und der Gestalt des Sakramentes der Eucharistie auch in Laienkreisen die Frage wach, warum die Brotsgestalt, von deren Sichtbarkeit in unseren eucharistischen Liedern gesungen wird, nicht auch tatsächlich zur Erscheinung kommt. Da diese Frage aus lebendigem religiösem Sinn und dem Bemühen um ein tieferes Eindringen in den Charakter und Gehalt dieses erhabensten Sakramentes entspringt, und da anderseits keine theologischen Gründe gegen eine behutsame Änderung der Gestalt angeführt werden können, muß man die Frage, ob diese Änderung wünschenswert ist mit einem eindeutigen Ja beantworten.

Da jedoch bei der Mehrzahl unserer Gläubigen dieses Problem nicht oder noch nicht gesehen wird, besteht kein unmittelbar drängendes Bedürfnis nach einer Änderung, sodaß man auf lange Sicht planen kann.

II. Ist die Einführung der neuen Form ratsam?

Zur Beantwortung der zweiten Frage ist zunächst zu untersuchen, was durch die Einführung der neuen Hostienform seelsorglich erreicht wird bzw. erreicht werden soll.

In diesem Zusammenhang ist anzuführen, daß den Gläubigen das Altarssakrament durch die neue Hostienform wieder deutlicher als „Brot des Lebens“ (Jh. 6,35) vor Augen gestellt wird. Der Wert dieser Verdeutlichung ist zweifellos hoch zu veranschlagen, da ein auch nur geringer Fortschritt in der Erfassung des Gehaltes dieses Sakramentes auf seiten unserer Gläubigen unschätzbar ist. Allerdings wird man nicht übersehen dürfen, daß es sich lediglich um die weitere Verdeutlichung eines Gedankens handelt, der ohnehin lebendig ist.

Weiterhin ist zu fragen, ob der Formänderung, wenn zwar keine theologischen, so doch vielleicht kirchenrechtliche Bedenken entgegenstehen. Aus allgemeinen Gründen dürfte feststehen, daß eine derartige Gestaltänderung der Genehmigung des Ortsordinarius bedarf. Im übrigen scheinen jedoch keine Bestimmungen oder Dekrete gegen die vorgeschlagene Form zu bestehen; Fattinger (a. a. O.) schreibt zwar, daß die Hostien weiß sein sollten, gibt aber keine Quelle für diese Forderung an, was im Hinblick auf seine sonstige Praxis als „Argumentum e silentio“ gedeutet werden darf.

Schließlich ist zu fragen, ob auf seiten der Gläubigen irgend etwas festzustellen oder zu vermuten ist, was Unwillen oder Gerede oder gar Zweifel hervorrufen könnte, wenn die neue Hostienform eingeführt wird.

Hier ist als schwerwiegendes Bedenken anzuführen, daß unsere Gläubigen weithin die Vorstellung haben, daß man (wohl aus Ehrfurcht) die Hostie nicht beißen dürfe. Diese Vorstellung geht zurück auf den Kommunionunterricht, wo diese Meinung vielerorts gelehrt worden ist.

Eine positive Bestimmung dieses Inhalts läßt sich jedoch nicht finden (weder bei Capello, (Tract. Canonico mor. de Sacr. Vol.I, Turin 1921), noch bei Schöllig (a. a. O.), noch bei Jone (Kath. Moral. Theol. 5 Paderborn 1934).)

Die neuen-Hostien jedoch lassen sich nur schwer sumieren, wenn man sie nicht kaut.

Da die genannte Vorstellung jedoch einem wenig erleuchteten theologischen Denken entspringt, ist es zwar wünschenswert, daß sie langsam in Vergessenheit gerät. Z. Zt. muß man jedoch mit ihr rechnen. Darum wird man die neuen Hostien, welche sich nur schwer ohne Zerbeißen sumieren lassen, in einer Gemeinde nur einführen können, wenn man ausführlich darüber spricht: dadurch aber bekommt die Sache in den Augen der Leute leicht eine Wichtigkeit, die sie objektiv nicht hat.

Zudem kann es zu unliebsamem Gerede kommen, wenn in den einzelnen Gemeinden die Hostien wesentlich verschieden sind.

Solches Gerede stellt aber den seelsorglichen Wert der Änderung ernstlich infrage. Es wird in den meisten Fällen weit mehr schaden, als die Formänderung nützt.

Nach Abwägung des Für und Wider wäre zu überlegen, ob man die Änderung nicht zunächst nur für geschlossene Kommunitäten und sonstige Sonderfälle (z. B. Studentengemeinde) durchführt; dort dürfte die Gefahr unliebsamen Geredes nicht bestehen. Wenn auf diese Weise im Laufe der Zeit ein größerer Kreis von Gläubigen persönlich oder durch Hörensagen mit dem Gedanken einer neuen Hostienform vertraut geworden ist, kann man zu einer Einführung auch in Pfarrgemeinden schreiten.

Um Gerede zu vermeiden, sollte eine solche Verordnung nicht veröffentlicht, sondern lediglich durch Mitteilung an die betr. Hostienbäckerei durchgeführt werden. Auf die Frage, ob man eine einzige Hostienbäckerei in der Diözese durch solche „Lenkungsmaßnahmen“ privilegisieren und dadurch gegenüber anderen bevorteiligen kann, soll hier nur hingewiesen werden.

III. Ist die Einführung der neuen Hostien praktisch durchführbar?

Ein Bedenken gegen die praktische Durchführbarkeit erhebt sich aus dem Umstand, daß die neuen Hostien wegen ihrer größeren Dicke mehr Platz einnehmen. Es gehen etwa ein Drittel bis die Hälfte weniger in ein Ziborium als bei gewöhnlichen Hostien.

Da jedoch bei weitem die meisten Pfarrkirchen von dem (früher) bestehenden Brauch her, für eine ganze Woche zu konsekrieren, über genügend zahlreiche und große Ziborien verfügen und häufigere Konsekration durch die Enz. Mediator Dei ohnehin gewünscht wird, dürften sich aus diesem Umstand wohl kaum ernsthafte Schwierigkeiten ergeben.

Die als Muster vorliegenden Hostien krümeln leichter und mehr, als die gewöhnlichen. Es ist zu fragen, wieviel Gewicht man diesem Umstand beimessen muß; die Einführung der neuen Form bedeutet insofern einen Rückschritt, als ja der Umstand des Krümelns gerade ein Grund für die Einführung der jetzigen Form gewesen ist. Zudem müßte erst von einem Fachmann festgestellt werden, ob sie dieser Umstand nicht durch eine entsprechend modifizierte Backart beseitigen läßt.

Die Frage, ob die Hostien der neuen Form wegen der leichten Kruste u. U. weniger leicht auf der Zunge haften, wenn man sie austeilt und daher größere Gefahr eines Abgleitens gegeben ist, müßte in der praktischen Erprobung geklärt werden.

Durchschlagende Bedenken bzgl. der praktischen Durchführbarkeit bestehen wohl nicht.

Abschließend darf vielleicht darauf hingewiesen werden, daß die vorgeschlagene Neuformung sich weitgehend den bisher gebräuchlichen angleicht. Wenn überhaupt eine Neuerung wünschenswert ist (vgl. I), wird sie kaum wesentlich anders ausfallen können als die hier Besprochene. Einzelne Modifizierungen der Backart (wodurch evtl. auch das Bedenken wegen des Beißens ausgeräumt bzw. gemildert werden könnte) müßten evtl. ausprobiert und erneut vorgelegt werden.