
7.10.2021
Kindheit in Trümmern
Barbara Warning
Kindheit in Trümmern
Ravensburg 2015
Link zum Buch
Im vergangenen Jahr habe ich geschildert, wie ich nach dem Bombenangriff auf Kleve lebend aus den Trümmern herausgekommen bin. Heute berichte ich, wie ich Monate lang in Trümmern gelebt habe.
Nach der totalen Zerstörung von Kleve am 7. Oktober 1944 um die Mittagszeit folgten schwere Zeiten. Es blieb keine Zeit, wie sonst bei Luftangriffen den gegenüberliegenden Luftschutzbunker in der Schule aufzusuchen. Wir konnten uns aus den Trümmern des zerstörten Hauses von Familie Hans Geurtz auf der Lindenallee 91, wo wir seit einigen Tagen lebten, retten.
Danach fanden wir Unterkunft in Moyland und nach einem erneuten Angriff am 7. Februar 1945 auf Kleve zogen wir noch im Februar nach Barby/Elbe, wo unsere Verwandten in der Evakuierung waren, und blieben dort bis zum Ende des Krieges im Mai 1945.
Zurück in Kleve lebten meine Mutter, mein Stiefvater, meine Schwester und ich in einem Kellerraum ohne Strom, ohne Wasser und ohne Heizung, ein Kanonenofen mußte reichen. Wasser holte ich in einem Benzinkanister, den ich auf ein Pedal des Fahrrades stellte, an einer weit entfernten Wasserpumpe.
Zum Heizen holten wir uns Holz aus dem Wald, er sah immer aus wie gefegt. Als die Bucheckern reif waren, gingen wir mir Bettüchern in den Wald und schüttelten die Bäume. Für den Ertrag bekamen wir bei der Firma van den Bergh Margarinewürfel. Für Brot und sonstige Nahrungsmittel, wenn es sie denn gab, mußten wir lange anstehen. In der Schule erhielten wir Schulspeisung. Zu Weihnachten bekamen wir eine Tafel Schokolade, die für die ganze Weihnachtszeit reichen mußte. Eine Apfelsine teilten wir unter uns vier Personen auf.
Gespielt wurde in den Trümmern ringsum. Hier und da fand ich Kostbarkeiten. In einem zerstörten Eisenwarengeschäft entdeckte ich eine Dose Eisenhaken, die gutes Geld wert waren. Das kostbarste „Geld“ waren Zigaretten. Ich hatte immer eine Dose in der Hosentasche und sammelte die Kippen der Soldaten. Das war die beste Währung.
Zum Schreiben in der Schule gab es kein Papier. Wir beschrieben die Ränder von Formularen, die wir im Schutt fanden.
Unsere Kleidung war auch sehr spärlich. Zu meiner Erstkommunion habe ich am Abend vorher auf den Schneider gewartet, der mir aus was für einem Stoff auch immer eine schwarze Jacke genäht hatte. Vom Pastor bekam meine Mutter für die Feier drei Eier, die er bei Bauern gesammelt hatte.
Die Kommunionfeier fand in einer Notkirche im Kolpinghaus statt.