9.11.2018

Leben ist Schwingung

Leben ist Schwingung, Tod ist Erstarrung. Läßt sich an unserer Bewegung und Bewegtheit ablesen, daß wir leben? Eine Person, die sich zum Beispiel durch Engstirnigkeit, das heißt geistige Unbeweglichkeit, „auszeichnet“, nennt man abwertend Spießer.

Bewegung ist „Bewegtsein“ und „auf dem Weg sein“. Be­wegtsein ist nichts anderes als erlebnisfähig zu sein und zu bleiben. Wahre Erlebnisse offenbaren sich, wenn man „unterwegs“ ist. Wir begehen zum Beispiel ein Fest, wir nehmen es gleichsam unter die Füße. Wir fragen einander „Wie geht’s?“ Das Gehen ist eine wichtige Eigenheit des Menschen. Bei unseren zahlreichen Fortbewegungsmöglichkeiten vergessen wir manchmal, daß der Mensch von Natur aus ein Fußgänger ist, so wie der Vogel ein Flieger und der Fisch ein Schwimmer.

Wir bewegen uns auf vielfältige Weise. Nur selten sind wir uns dessen, was wir durch die Art unseres Gehens ausdrücken, bewußt: Wir schreiten machtvoll aus, weichen schreckhaft zurück, trippeln unsicher einher, bringen strolchend zum Ausdruck, nichts zu tun zu haben, oder wir schreiten stürmisch aus und handeln ohne große Überlegung. Haben wir manchmal aus Eitelkeit und Gefallsucht auch einen stolzierenden Gang?

Auf dem Weg sein bedeutet, innere und äußere Hindernisse zu überwinden. Der junge Mensch ist in der Regel bewegli­cher als der alte. Der junge Mensch muß lernen, hier und da ruhig zu werden und still zu sein. Mit zuneh­mendem Alter nimmt unsere Beweglichkeit ab. Dann muß uns geholfen werden, weitere Schritte auf dem Weg zu machen, wohl wissend, daß dieser Weg unweigerlich in den Tod führt, in die Verwandlung zu einem neuen ewigen Leben.

Wichtig ist, daß wir nie anfangen aufzuhören und auch nicht aufhören anzufangen. Laut Martin Buber (1878-1965) ist „alt sein ein herrlich Ding, wenn man nicht verlernt hat anzufangen.“ Alte Men­schen sollten bewahrt werden vor einer seelischen und leiblichen Erstarrung. Liebevolle Zuwendung bringt sie in Bewegung. Selbst am Ende des Lebens ist der Sterbende über Berührung und Töne noch immer erreichbar. Im Sterben setzt das Gehör als letzter der Sinne aus, und die Berührung durch einen zugewandten Menschen er­leichtert das Abschiednehmen von dieser Erde.

Wie geht es mir?