
12.4.2023
Lustlosigkeit
Auszüge aus dem Geistlichen Wort von Dr. Claudia Kunz zum Ordenstag 2003 im Bistum Münster
Für Lustlosigkeit steht im griechischen Text des Origenes [184-253] das Wort [άκηδεια - ] „Akedia“. Mit Akedia umschreibt der Grieche ein ganzes Bündel von Erfahrungen und Stimmungen, die wir im Deutschen auf keinen gemeinsamen begrifflichen Nenner bringen können; die deutsche Sprache umschreibt das gemeinte Phänomen mit einer Vielzahl von Worten: Lustlosigkeit, Überdruss, Müdigkeit, Erschöpfung, Lähmung, Langeweile, Gefühllosigkeit, Gleichgültigkeit, Resignation, Traurigkeit, Wut, Selbstzweifel, Selbstmitleid, Ekel ... […]
Es ist nicht das Null-Bock-Gefühl von Jugendlichen, es geht um ein viel tieferes, um ein nicht mehr auflösbares Nicht-mehr-Mögen und Nicht-mehr-Können. […]
Anders als die spätere Ordensaskese fokussierte sich das frühe Mönchtum nicht auf die Gefahren, die von Besitz, Eigenwillen und Sexualität für das Ordensleben ausgehen. Die Mönche sorgten sich vielmehr um die Akedia und den Umgang damit in einem geistlichen Leben. Sie beobachteten ein besonders enges Verhältnis zwischen Traurigkeit und Akedia, die nicht wahrgenommen, nicht beachtet und mit der nicht umgegangen wird, also Traurigkeit, von der man nicht mehr weiß, woher oder wodurch sie kommt, führt zur Akedia, zu diesem Gefühlsgemisch aus Erschöpfung und Lustlosigkeit, aus Resignation und Gleichgültigkeit.
Die Mönche bringen die Eigenart der Akedia ins Bild vom Mittagsdämon. Die typische Tageszeit, zu der die Akedia auf den Plan tritt, ist der Mittag, jene Zeit in der Wüste, da die Sonne den höchsten Stand erreicht hat, die Hitze am drückendsten ist; ein Teil des Tagewerks ist schon geschafft, die andere Hälfte liegt aber noch vor einem; dennoch die Kräfte des Leibes und der Seele sind erschlafft, und man hat keine Lust mehr, man ist an seinem toten Punkt angekommen. […]
In der Akedia weicht der Mensch dem aus, was allein ihm zu sein (auf)gegeben ist, er weigert sich, der zu sein, der er jetzt sein könnte, er flieht vor seiner eigentlichen, wesentlichen Aufgabe: der Verwirklichung seiner selbst.