
9.5.2019
Menschenhand
Die „ältesten“ menschlichen Hände, die uns überliefert sind, sind Abbildungen in der Höhlenmalerei. Das Handbild ist eine Marke der Individualität wie unsere Unterschrift oder gar unser Fingerabdruck.
Der Mensch ist eine Einheit von Leib, Seele und Geist. Der Leib hat als Ganzes einen Sinn, und dieses Ganze spiegelt sich in seinen Gliedern. Der Mensch hat nicht nur eine Hand, sondern er ist auch Hand. Als pars pro toto steht die Hand für die ganze Köperlichkeit des Menschen mit verändertem Maßstab, und ihre Gestalt verrät viel über ihren Träger. Neben den Handlinien ist auch der gesamte Aufbau der Hand zu beachten. Aristoteles (384-322 v. Chr. G.) formuliert: „Die Linien sind nicht ohne Gründe in die menschliche Hand geschrieben, sie stammen von himmlischen Einflüssen und der eigenen Individualität des Menschen.“
Gott gab uns Hände. Sie wachsen zu Brücken in die Welt, um die Welt zu begreifen; sie wachsen zu Brücken, auf denen Herz und Geist wandern; auf ihnen wagt sich die Seele am weitesten vor; mit der Hand bauen wir auf und zerstören wir, schenken wir Liebe und beten wir, schwören und segnen wir.
Die Hand ist nicht an eine bestimmte Umwelt angepaßt, sondern ein Bild für Freiheit. Die vielseitig gegliederte und bewegliche Hand kann nach allem greifen und mit allem tastend Fühlung aufnehmen. Die Offenheit, in welche der Mensch als Ganzer durch seinen Geist versetzt ist, erscheint in der Hand.
Die erste schriftliche Erwähnung einer Hand findet sich in der Heiligen Schrift: „Dann sprach Gott, der Herr: Seht, der Mensch ist geworden wie wir; er erkennt Gut und Böse. Daß er jetzt nicht die Hand ausstreckt, auch vom Baum des Lebens nimmt, davon ißt und ewig lebt!“ (Gen 3,22)
Neben dem Antlitz ist die Hand ein sehr ausdruckskräftiges und geistiges Glied des Menschen. Sie ist das ausführende Organ seines Willens und das Mittel seines Schöpfertums. Die Hand ist mit das sprechendste Glied des Menschen. Mit ihr vollzieht der Mensch eine Zeichensprache und bringt Instrumente zum Klingen; blinde Menschen sehen und lesen dank der Blindenschrift mit den Händen; die Sprache der Liebe sprechen vorwiegend die Hände. Die Hand spiegelt jede einzelne Emotion des Menschen wider; auch während des Schlafens reagiert sie im Traum.
Aussagen unserer Hände sind gleichzeitig Aussagen über uns selbst. Sei es, daß sie gepflegt oder ungepflegt sind, abgekaute Fingernägel haben, Arbeitshände mit Schwielen oder „Hebammenhände“ sind. Es gibt die blassen Hände des Melancholikers, die roten Hände des Cholerikers, die feuchten Hände des Gehemmten und die kalten Hände des Erschrockenen. Die Hand ist das Organ des Handelns in Bezug auf Leib, Geist und Seele.