21.8.2022

Nähert sich die Theologie der Naturwissenschaft?

Es geht um das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Kosmologen geraten mit dem Urknall an die Grenze der Religion. Die Existenz von Materie ist für sie ein nur übernatürlich zu erklärendes Wunder.

Die Erforschung des Weltalls und dessen Ursprung schreiten immer weiter voran. Über den Ursprung des riesigen Universums wissen wir nichts. Was vor dem Anfang war, was den Urknall ausgelöst hat, läßt sich nur mit dem Begriff  NICHTS beschreiben. Doch über das NICHTS kann die Naturwissenschaft nichts aussagen. Der Glaube sagt, der Schöpfer dieser Welt ist Gott, der ALLES und NICHTS ist.

Heino Falke (* 1966) ist Astrophysiker und Prädikant (Laienprediger). Er antwortete in chrismon 12.2021:

Sind Glaube und Wissenschaft vereinbar?
Wie kann man das nicht vereinbaren? Vor 13,8 Milliarden Jahren ereignete sich der Urknall: Ein unendlich kleiner Raum dehnte sich inflationär in nur 10-35 Sekunden aus, Materie und Energie entstanden, es war der Anbeginn von Raum und Zeit. Und das Universum dehnt sich bis heute weiter aus – aber was jenseits dessen ist, weiß niemand. Wenn ich mir das klarmache, dann ist es ein Gefühl, wie Mose vor dem brennenden Dornbusch zu stehen: Er guckt auf das Feuer und erschaudert, weil er Gottes Größe erkennt [vgl. Ex 3-4]. Wir kennen die Naturgesetze, aber wo diese Regeln herkommen, wissen wir nicht. Eine ganz gottlose Physik ist für mich nicht möglich. Ich sehe es auch als meine Lebensaufgabe, Menschen an diese großen Themen heranzuführen.

Siehe auch Sind wir Menschen die einzigen Lebewesen unserer Art im Weltall?,
Von zwei Seiten droht Lebensgefahr für die Menschen auf dieser Erde
und
Zeit können wir uns vorstellen, aber Ewigkeit nicht.

 

Predigt in Billerbeck am 21.8.2022
21. Sonntag im Jahreskreis C

Erste Lesung: Jes 66,18-21
(Zweite Lesung: Hebr. 12,5-7.11-13)
Evangelium: Lk 13,22-30

Wir haben gehört, wie Jesus die Menschen mit dem Bild der Tür belehrt hat. Über dem Tor eines Pfadfinderinnenlagers stand: „Das Geheimnis des Tores aber ist das Hindurchschreiten.“ Eine sehr schöne Aussage! Die Leiterinnen hatten sich etwas da­bei ge­dacht; denn es ist das Tor zum Geheimnis der Hoff­nung. Als Kurat griff ich während der Lagerzeit das Thema im­mer wieder auf­­. Angefangen von Jesu Wort: „Ich bin die Tür“ (Joh 10,9) bis hin zu dem Ausruf: „Porta patet, magis cor – Das Tor steht offen, noch mehr das Herz.“

Das Bild des Tores wird vielfach verwendet, um aufzuzeigen, was bei unserem Sterben geschieht: Wir gehen durch ein Tor ins Jenseits.

Nach meiner Vorstellung gehe ich im Sterben nicht mehr durch ein Tor, sondern eher fallen da, wo ich bin, die Schleier. Beim Tod Jesu „riß der Schleier im Tempel von oben bis unten entzwei. (Mt 27,51) Der Schleier der Zeit zerreißt, der Wille zum JETZT erfüllt sich vollkommen. Ich neh­me dann gänzlich wahr, wo ich schon immer seit Ewigkeit gewesen bin, und zwar in Gott. Vorher waren meine Augen gehalten, und das große Ganze zeigte sein Gesicht nur verhüllt. Als ich vor einigen Jahren zu dieser Überzeugung gelangte, habe ich meine Todesanzeige dementsprechend geändert. Vorher beruhte sie auch auf dem Gedanken des Hinübergehens in einen anderen Raum durch ein Tor. Im Hymnus „Adoro te devote – Ergeben bete ich dich an“ (vgl. Gotteslob Nr. 497) von Tho­mas von Aquin (1225-1274) heißt es in der 7. Strophe: „Lass die Schleier fal­len einst in deinem Licht, dass ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.“

Wir müssen achtgeben, daß uns der Tod lebendig und das Leben nicht tot findet. Der Tod ist die uns zugewandte Seite der Auferstehung. Im 1. Brief an die Korinther stellt Paulus klar, was die Auferstehung Jesu bedeutet (vgl. 1 Kor 15). Sie ist nicht gleich­zusetzen mit einer Rückkehr ins irdische Le­ben; denn dann stünde am Ende der Tod. Sie ist keine „Auferstehung des Fleisches“, wie wir es früher im Glaubensbekenntnis gebetet haben. Wir sollten unser irdisches Ende nicht im Sinn eines naiven Biologismus betrachten, sondern im Sinn der biblischen Anthro­po­logie, die besagt, daß der Mensch eine Einheit aus Leib, Geist und Seele bildet. Nach Sokrates (469-399 v. Chr. G.) ist der Geist durchseelt

und Seele und Leben sind durchgeistigt. In unserer Schöpfung existieren verschiedene Räume und Be­zirke, dazu gehören Abgrenzungen und Übergänge. Tür, Tor und Pforte, aber auch Fenster, sind Zeichen der Durchlässigkeit. Eine Tür kann verschlossen oder offen sein. Offen als Einladung und Zeichen der Gastfreundschaft, aber auch als Zeichen der Verwahrlosung, wenn niemand mehr da ist. Eine geschlossene Tür kann Zeichen der Bewahrung sein, aber auch des Sich-Abschließens und Einschließens. Sie kann Ausdruck der Erwartung von Ge­heimnisvollem sein und Verlangen nach dem, was dahinter liegt. Jede Lebensphase ist durch ein Tor zu erreichen. Das versinn­bildlichen auch die Torbögen zur Hochzeit und Primiz. Der Tri­umphbogen und das Siegestor werden als Höhepunkte bei einem Triumph- und Siegesfest durchschritten. Nachdem wir durch das Geburtstor gegangen sind, ist das wichtigste Tor für uns das Himmelstor. Nach der Aussage Jesu ist es eng und der Weg da­hin schmal im Gegensatz zum breiten Weg ins Verderben, der auf ein weites Tor zugeht (vgl. Mt 7,13f u. Lk 13,24). Es könnte sein, daß wir schon lange davorstehen und versu­chen, es aufzustoßen; wir hören vielleicht auch schon die himmlische Mu­sik. Beim Sterben verlassen uns die Kräfte, und wir fallen er­schöpft zurück. Dabei merken wir wahrscheinlich erstaunt, daß das Tor in eine an­dere Richtung aufgeht: Das Himmelstor öffnet sich zu uns hin! (vgl. Franz Kafka - Vor dem Gesetz - https://homepage.univie.ac.at/st.mueller/kafka.html)

Wie bereits oft erwähnt, bin ich überzeugt, daß im Sterben die Schleier fallen. Was bis dahin verborgen war, wird sich uns auftun, und wir erfahren Gott in uns und uns in IHM. Schon in unserem irdischen Leben können wir die Sprache Gottes lernen, und IHN im „Hier und Jetzt“ bereits erfahren.

In meiner letzten Predigt habe ich angesprochen, wie sehr mir die Meditation, die ich im Zen-Buddhismus kennengelernt habe, geholfen hat, ganz im „Hier und Jetzt“ zu sein und auf das „verschwebende Schweigen Gottes“ zu lauschen. Auch wir wollen jetzt für einen Augenblick darauf lauschen!