9.11.2023

NOCH NICHT REIF ZUR ERNTE

Tod, schleudere mich nicht in dein Feld, bevor ich guter Weizensame geworden bin.
Gott, laß mich nicht vor dein Angesicht kommen, ehe ich heilig geworden bin.
Von einem Augenblick zum andern werde ich von hundert Winden umhergetrieben.
Mal bin ich im Himmel, mal in der Tiefe des Abgrunds.
Ein Sünder ist sich seiner Schuld bewußt, er leidet Schmerzen der Reue und tut Buße.
Ich aber bin weder völlig schlecht noch völlig gut, nie ganz gottlos, nie ganz gerecht, sondern mitten dazwischen.
Meinem Vergehen folgt eilig Buße,
aber der Bekehrung auch schnell neue Sünde nach.
An einem einzigen Tag ändere ich mich tausendmal; und wie ein Rad drehe ich mich unaufhörlich.
Unkraut ist mit meinem Weizen vermischt und Spreu,
und der gute Same ist mitten unter Dornen auf dem Acker deines Knechts.
Ständig schwanke ich zwischen knechtlichem Sinn und der Beherztheit des Freien.
Mal bin ich ein König mit dem Diadem, dann wieder ein elender Bettler.
Bald bin ich Herr der Seele, bald Sklave des Leibes, ihres Gefährten.
Niemandem außer dir, o Gott, spreche ich von meiner Not!
ur nach dir verlange ich und nach deiner Barmherzigkeit!
Du, dem Lebende und Tote in gleicher Weise gehören,
laß mich nicht in meinen Sünden sterben.
Herr, verwandle erst meine Ähre in Brot, dann mag der Schnitter kommen.
Fülle erst meine Traube mit Wein, dann mag der Winzer sich nahen.

Isaak von Antiochien ( 5. Jh.)