
Palmsonntag, 5. April 2020
Wenn ein hoher Gast ein Land betritt, dann rollt man ihm den roten Teppich aus. Ursprünglich sollte der Gast, den man sich mit großen geistigen Kräften begabt vorstellte, nicht mit dem Erdboden in Berührung kommen. Als Jesus in Jerusalem einzog, breiteten die Menschen ihre Kleider aus und streuten Zweige von den Bäumen auf die Straße (Mt 21,8). Schon bald wurde dieser Weg für ihn zum Kreuzweg.
Findet Jesus auch einen Weg zu mir? Wie empfange ich ihn?
Jesus ritt auf einem Esel in Jerusalem ein.
In den Osterkursen, die ich früher regelmäßig gehalten habe, habe ich jedes Jahr eine andere Person, mit der sich die Teilnehmer identifizieren sollten, aus der Passionsgeschichte gewählt. Es war spannend zu erleben, wie sie sich zum Beispiel als Judas sahen oder als Petrus, der das Schwert zückte. Am interessantesten war es, als ich den Esel gewählt hatte.
Auf dem Rücken eines Esels floh Maria mit dem neugeborenen Jesus nach Ägypten, und auf einer Eselin zog Jesus in Jerusalem ein. Laut einer Legende betrachtete sich diese Eselin als Enkelin des nach Ägypten geflohenen Esels.
Der Esel gehört zu den ältesten Haustieren des Menschen, seine Zähmung geht bis ins 4. Jahrhundert vor Christi Geburt zurück. Er ist klug und kennt seinen Weg.
Er schleppt große Lasten selbst durch unwegsames Gelände, kann unbeladen eine Geschwindigkeit von 70 km/h erreichen und bis zu drei Tagen ohne Wasser auskommen. Er gibt sich sogar mit Disteln und Dornen als Futter zufrieden. Wo die Pferde versagen, schafft es der Esel.
Der Esel gilt als äußerst störrisch. Laut Meinung von Experten zeugt diese den Eseln nachgesagte Eigenschaft von ihrer Klugheit. Kein Esel betrete einen unsicheren Weg, ohne vorher nachzudenken, wie er ihn bewältigen könne. Ausdrücke wie „Du Esel“, „Eselsbrücke“ oder „Eselei“ bestehen völlig zu Unrecht; denn der Esel ist nicht dumm, unter allen Huftieren schneidet er bei Intelligenztests oft am besten ab.
Das Alte Testament berichtet von Bileam (Num 22-24), der seinen Esel schlägt, weil er bockt und nicht weitergehen will. Noch vor seinem Herrn bemerkt er den im Weg stehenden Engel. So wird der unverstandene Esel plötzlich zum Mitgeschöpf, das mehr vom Willen Gottes versteht als der Mensch.