
25.1.2020
Pauli Bekehrung (25. Januar)
Der 25. Januar ist mein Weihetag, und es bedeutet mir viel, daß es bei dem Fest um Bekehrung geht, die aber nicht nur einmal geschieht, sondern wohl für alle ein Lebensprozeß ist.
Bei Paulus scheint es mit einer einmaligen Bekehrung auch nicht getan zu sein; denn danach bittet er den Herrn, ihn von einem Stachel zu befreien, wobei wir nicht wissen, was genau damit gemeint ist. Jedenfalls behindert dieser sein Leben. Er bekommt zur Antwort: „Es genügt dir meine Gnade!“ (2 Kor 12,7-9) Dieser Satz ist zu verstehen im Sinne von „Der Stachel ist deine Gnade!“
Es fasziniert mich, daß die Kirche die Apostel Petrus und Paulus am selben Tag (29.6.), ihrem gemeinsamen Todestag, feiert. Dabei können zwei Männer nicht gegensätzlicher sein:
Petrus war verheiratet, Paulus ledig.
Jesus hat Petrus direkt berufen, Paulus hat Jesus nie gesehen, seine Berufung geschah in einer Vision.
Petrus war ein „Fels“, wie es sein Name erkennen läßt, Paulus ein Wandermissionar.
Petrus steht als unverrückbarer Fels für Amt und Ordnung, Paulus als dynamisches Element für Charisma und Gnade.
Wenn ich diese Gegensätze betrachte, beruhigt es mich, daß ich nicht beides leben kann. Hier kommt das für mich so wichtige Thema Polarität zum Tragen. An den beiden Aposteln bestätigt sich die Wahrheit: Gegensätze ziehen sich an und stoßen einander ab.
Petrus und Paulus streiten sich um die Heidenmission: „Als Kephas aber nach Antiochia gekommen war, bin ich ihm offen entgegengetreten, weil er sich ins Unrecht gesetzt hatte.“ (Gal 2,11) Petrus war der Meinung, alle Heiden müßten, wenn sie Christen werden wollten, zuerst Juden werden.
Diese Streitszene zwischen den beiden Aposteln hat der italienische Bildhauer Donatello (1386-1466) an der Bronzetür der Alten Sakristei in San Lorenzo in Florenz dargestellt. Sie streiten sich, weil sie verschieden sind, finden dabei aber immer eine Lösung.
Das gemeinsame Fest so unterschiedlicher Personen, die zusammen die Kirche tragen, mag Anlaß sein, über Gegensätze nachzudenken. Es beginnt mit der Verschiedenheit von Mann und Frau. Emanzipation der Frau bedeutet nicht selten, ihr fehlendes Glück aus der Macht der Männer zurückzuholen. Im Kampf um die eigenen Glücksrechte werden Männer oft zu Gegnern.
Das Lebenselixier aller Liebenden ist die Verschiedenheit. Das Glück liegt in der Vereinigung der Gegensätze. Niemand kann alles allein. Wir brauchen die Ergänzung, auch in der Kirche. Petrus und Paulus geben uns ein Beispiel.
Für manche von uns besteht ebenso wie für mich der Stachel darin, die Gegensätze in uns selbst und die damit gegebene Spannung auszuhalten.
Das Wichtigste an Jesus ist für mich, daß er die Gegensätze in sich vereinigte und deswegen seine Wirkung und Ausstrahlung hatte. Gott ist für mich der Zusammenfall der Gegensätze.
Besonders am heutigen Tag rufe ich mir wieder ins Bewußtsein: Es ist spannend, in der Spannung zu leben und die Entspannung zu erwarten.