
25.5.2019
Riten und Rituale
Zu unserem Leben gehören Riten und Rituale. Aber auch nach einer völligen Sinnentleerung können Rituale weiter existieren. Ein Beispiel dafür ist die Jugendweihe in der ehemaligen DDR: Auch nach der Wiedervereinigung wird sie noch von vielen Jugendlichen vollzogen. Ursprünglich war sie als Zeremonie für die Initiation ins Erwachsenenleben gedacht.
Ich persönlich frage mich manchmal: „Stellt die Firmung in der katholischen Kirche inzwischen bereits eine Initiation zum Abschied von der Kirche dar?“ Gottesdienste werden teilweise zum Freizeitangebot degradiert. Wie steht es mit der religiösen Ausstrahlung in solchen Gottesdiensten? Diese Sinnauszehrung betrifft aber nicht nur die Kirchen, sondern die Orientierungssysteme im allgemeinen.
Riten und Rituale aber machen am ehesten erlebbar, was Religion leisten kann, nämlich Medium zu sein für die sinnliche Darstellung des den Sinnen Entzogenen. Religiöse Riten und Rituale sind „jenseits“ von Dogma und Moral angesiedelt und folgen einer anderen Logik. Dogmatik ist der begriffliche Reflex einer Einsicht und Erfahrung, die den Menschen gepackt hat. Moral verlangt, daß Taten folgen, damit sich eine Überzeugung praktisch auswirkt. Ein Ritual realisiert bereits die Sphäre, in der es wirkt. Man kann sich dort sinnlich von dem ergreifen lassen, wovon sonst nur in begrifflicher Distanz die Rede ist. Ein Ritual spricht nicht nur über etwas, sondern erkennt auch etwas zu. Nicht das Nacheinander von Information und Rezeption, sondern die Gleichzeitigkeit dieser Aspekte, ihr Ineinandergreifen, macht religiöse Rituale attraktiv.
Einige praktische Methoden und Rituale sind notwendig, wenn Religion nicht erstarren soll. Methoden und Rituale verändern sich je nach Fähigkeit und Entwicklung der Menschen. Dementgegen steht das Bestreben des verderblichen Einflusses der Zeit, den Kern der geistigen Wahrheit mit dummen und toten Formalismen zu überdecken.
Was bedeuten mir Riten und Rituale?