2.1.2021

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In diesem Beichtstuhl in Xanten hörte ich 1964 die erste Beichte meines Lebens.

Rückblick als Spiritual auf das Jahr 2020

Ich war 23 Jahre als Spiritual im Collegium Borromaeum in Münster und in Haus Aspel bei Rees am Niederrhein tätig, bevor ich wieder in einer Gemeinde als Kooperator mitgewirkt habe. Mit der Pensionierung habe ich mich aus dem Gemeindedienst zurückgezogen und wirke wieder nur als Spiritual.

Die Pandemie hat mir bewußt gemacht, was im Gespräch mit den Menschen alles bedeutsam ist. Als ab März 2020 das persönliche Gespräch bei mir nicht möglich war, ging es nur per Telefon, aber das war ein reiner Notbehelf. Als dann ein Besuch mit Schutzmaske möglich war, zeigte sich auch vieles ganz anders als gewohnt.

Ein Gespräch besteht nicht nur aus verbalisierter Nachricht, sondern auch außersprachliche Effekte tragen zur Verständigung bei. Sie vermitteln, was nicht mehr sprachlich ausgedrückt werden kann. Der Raum, die Kleidung, die Gesten und vor allem der Gesichtsausdruck werden zu Bedeutungsträgern. Die Art und Weise, wie etwas vorgetragen wird, lenken das Verständnis des Inhaltes. Ob jemand unruhig ist oder still dasitzt, ist eine sehr starke Ausdrucksform. Eine Pause beim Sprechen kann den Sinn des Gesagten betonen, abschwächen oder sogar ins Leere verlaufen lassen. Wenn jemand unruhig wird, gebe ich ihm eine Specksteinkugel in die Hand, die auf meinem Tischchen mit Symbolen liegt. Am Ende des Gespräches zeigt sich ein Mitteilungsbild, das sich aus unzähligen Signalen herausgebildet hat.

Meine Aufgabe besteht darin, aufmerksam zuzuhören und den ganzen Menschen im Blick zu haben. Als gläubiger Mensch vertraue ich darauf, von einer höheren Instanz, die ich Gott nenne, die rechte Eingebung zu bekommen für das, was ich meinem Gegenüber sagen soll. Ich wundere mich, wie oft ich ins Schwarze treffe oder voraussehe, was sich erst viel später ereignet.

Ich habe 2020 in meinem Zimmer mehr Beichte gehört als im Beichtstuhl in der Kirche, wo sozusagen alle 5 Minuten keiner kam. Das war zu meiner Zeit als Kaplan noch ganz anders. Damals hörten die Seelsorger vor Weihnachten und Ostern durchgehend viele Stunden Beichte im Eiltempo. Wegen der langen Menschenschlangen vor dem Beichtstuhl blieb keine Zeit, um über seelische Probleme zu sprechen.

Wann wird es ein Mittelmaß zwischen den Extremen geben?