5.10.2018

Schwarz

Kennen Sie die Ge­schichte, in der jemand, der im Himmel war, gefragt wird, wie Gott denn aussehe? Der Ge­fragte antwortet: „Sie ist schwarz!“

Diese Antwort beinhaltet zwei Provokationen: Zum einen bil­den die Weißen sich ein, Gott müsse ihre Hautfarbe haben, zum anderen stellen sich viele Menschen Gott als Mann vor. In der Geschichte der Menschheit geht es bei der Bezeichnung „Schwarz“ um die unterdrückten Menschen schwarzer Hautfarbe.

Doch auch aus anderen Gründen bringen Men­schen Gott mit Schwarz in Verbindung; denn trotz aller Vertrautheit ist er auch der undurchsichtige, abgründige und dunkle Gott; rätselhaft sind oft seine Wege. Schwarz ist die Farbe des un­bekannten Gottes, er hat sich verhüllt bis zur Unkenntlichkeit, aber dieses göttliche Dunkel ist nicht leer, sondern trächtig.

Schwarz ist ebenso wie Weiß keine Farbe, weil eine schwarze Fläche alle Lichtstrahlen schluckt. Auch in Schwarz sind alle Farben enthalten. Es wird zur Negation aller bunten Farben. Da alles, was sich über den unbegreiflichen Gott aussagen läßt, nur annähernd zutrifft, gilt auch Schwarz als Farbe für Gott.

In der Symbolik wird Schwarz nicht nur zur Farbe der Negation, sondern sogar zur Farbe des Schlechten an sich. Schwarz heißt im Latei­nischen neben „niger“ auch „sordidus“, was „schmutzig“ bedeutet. Schwarz war früher, ohne daß es schmutzig wirkte, nur schwer zu färben. Wie wir mit Weiß fast nur positive Gefühle verbinden, so denken wir bei Schwarz vorwiegend an Negatives. Schwarz ist ein Grundzustand, der keine Nuancen zuläßt. Schwarz ist eine kalte Farbe; sie läßt Gegen­stände schwerer wirken.

Schwarz war früher vor allem die Farbe des Alters. Der schwarze Schador, der große Um­hang islamischer Frauen, macht diese uner­kennbar und damit unauffällig.

In der Kunst ist Schwarz das Loch, das Nichts, das Undurchdringliche. Schwarz, Dunkel und Nacht sind in der westlichen Phi­losophie mit Vorstellungen von Grenze, Tod und Trauer besetzt. Daher ist Schwarz ein Zeichen von Ernsthaftigkeit. Schwarz trug man bei Trauer, weil es unauffällig machte gegenüber den Geistern der Verstorbenen. Aus Furcht wird Ehrfurcht: man schmeichelte den Toten, um deren Rache weniger zu befürchten. Die Trauer um den Toten läßt das eigene Leben vergessen. Schwarz liegt im Grenzbreich, es drückt das Nichts aus. Im alten Griechenland war Schwarz die Farbe der Zeit, symbolisiert durch den schwarz dargestellten Gott Chronos.

Wie bei allen Farben ist auch die Ausdrucks­kraft von Schwarz doppelwertig: Schwarz als Kleidung ist angesagt, um Trauer auszu­drücken, aber auch, wenn es darum geht, hohe Werte zu setzen und zu vertreten oder auch bei freudigen Festen. Materiell kann sie die Farbe des billigen Ziegenbockfells sein, aber auch die kostbare Farbe der Pur­purschnecke; Stoffe, die mit deren Farbe ge­färbt werden, werden umso schwärzer, je mehr Schnecken man verwendet.

Martin Luther wandte sich gegen die bunte Kleidung der Kirchenvertreter seiner Zeit; so führte er den schwarzen Talar auch für den Gottesdienst ein. Auch heute noch sind die Volkstrachten in Ge­genden, wo vorwiegend evangelische Bewohner leben, mit mehr Schwarztönen gestaltet, als dies in katholischen Gegenden der Fall ist. Schwarz gilt noch immer als Farbe der Geistlichkeit und deren konservativen Kraft. Schwarz ist auch die Farbe des po­litischen Konservativismus. Andererseits gehört Schwarz auch zur Subkultur, wo sich Punks und Rocker schwarz kleiden, auch Piraten und Freibeuter trugen häufig schwarze Kleidung.

Was bedeutet für mich die Farbe Schwarz?