27.2.2019

Scivias – Wisse die Wege (9)

Fußwaschung

Die Fußwaschung hat vor allem im Christentum eine besondere Bedeutung. Wir wissen, daß zu einem Sakrament drei Dinge gehören: äußeres Zeichen, innere Gnade und Einsetzung durch Jesus Christus. Folglich wäre die Fußwaschung ein Sakrament; denn Johannes berichtet von allen drei Dingen (Joh 13,1-20), wie es sonst bei keinem anderen Sakrament der Fall ist. Bevor im 13. Jahrhundert die Sakramente auf die Zahl sieben festgelegt wurden, gehörte die Fußwaschung auch dazu wie die Sakramentalien Aschenkreuz und Blasiussegen.

Eucharistie/Abendmahl ist ein Ort der Verwandlung. Diese geschieht auch bei der Fußwaschung. Johannes berichtet statt über die Einsetzung der Eucharistie nur über die Fußwaschung. Das zeigt, wie wichtig ihm die Erfahrung ist, daß Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht. Die Fußwaschung interpretiert das Leiden und Sterben Jesu. In diesem Tod geht es um die Beziehung zwischen Jesus und uns. Durch sein Leiden und Sterben bezeugt er uns seine Liebe bis ans Ende. Sein Tod ist nicht nur ein Beispiel für die Leidensgeschichte der Welt und der Menschheit, sondern auch eine „Diensthandlung“. Das zeigt sich deutlich in der Fußwaschung und dem Dialog mit Petrus (Joh 13,6-9). Es ist die Rede von Reinheit im Sinne von einem unverzerrten, unverdunkelten Leben und einem ungetrübten Herzen (Joh 13,10f). Wir erleben die Kluft zwischen dem, der wir sind und dem, der wir sein möchten. Durch Jesu Tod sollen wir reine Menschen werden. Jesus erweist uns diesen Dienst, und wir dürfen ihn als Geschenk annehmen, wie Petrus es bei der Fußwaschung getan hat. Dazu gehört eine große Demut.

Schuhputzen ist heute ein gehobener Dienst gegenüber dem Fußwaschen in der damaligen Zeit; letzteres war niederster Sklavendienst. Solch einen Dienst erweist Jesus der Herr seinen Jüngern und macht sich zum Diener aller.

Zunächst weigert sich Petrus, diese Diensterweisung anzunehmen, dann aber möchte er ganz gewaschen werden, aber es reichen die Füße (Joh 13,9).

Das läßt sich heute physiologisch nachvollziehen; denn in den Füßen enden alle Nervenbahnen. Allzuoft mißachten wir die Bedeutung unserer Füße. Sie sind das Niedrigste an uns Menschen und verbinden uns mit der Erde. Dadurch hat der Fuß eine uralte magische Bedeutung, die sich besonders in der rituellen Entblößung zeigt; denn das Ausziehen der Schuhe ist eine Geste der Demut.

Andererseits ist Barfüßigkeit auch Hinweis auf Elend und Knechtschaft; denn der Herr trägt Strümpfe und Schuhe. Das wiederum stellt eine Demütigung für die Füße dar, so als seien sie nicht edel genug, offen gezeigt zu werden.

Sowohl die Armen als auch die Reichen gehen barfuß, die einen, weil sie kein Geld haben, die andern, weil Träger sie vor Staub und Dreck bewahren.

In der Kunst sind Füße ein Symbol der Unterjochung: Der Fuß des Siegers steht als Zeichen des Triumphes auf dem am Boden liegenden, gänzlich unterworfenen Feind.

Auf Drachen und Raubtieren oder auf einem Sockel mit Dämonenabbildungen stehende Füße von Kerzenleuchtern symbolisieren den erfolgreichen Kampf gegen die Mächte der Finsternis

Der Fußkuß ist eine Ehrerweisung in Form einer Unterwerfungsgeste. Die spöttisch herabwürdigenden Ausrufe: „Leck mich de Fööt!“ und „Du kannst mir mal die Füße küssen!“, haben darin ihren Ursprung.

Bin ich bereit, mir die Füße waschen zu lassen?