6.6.2022

Sie dürfen sein, wie Sie sind,

müssen aber nicht bleiben, wie Sie sind

Der Philosoph Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) beschäftigte sich unter anderem mit der Frage nach der Ungleichheit in der menschlichen Gesellschaft. Er unterscheidet zwischen der natürlichen oder physischen und der gesellschaftlichen oder politischen Ungleichheit. Erstere sieht er als naturgegeben an und bezieht sich sowohl auf die körperlichen als auch auf die geistigen und seelischen Stärken.

Sein pädagogisches Ideal definiert er in seinem Erziehungsroman „Emile“. Er beschreibt die psychischen Phasen der Entwicklung vom Kindes-, über das Jugend- bis zum Erwachsenenalter, die in der Erziehung für eine gesunde Entwicklung zu berücksichtigen sind.

Nicht selten versuchen Erwachsene, sich von der Last ihrer Erziehung zu befreien, um endlich SIE SELBST zu werden.

Diesbezüglich habe ich mit den Menschen, die zu mir kommen, damit ich sie auf ihrem Weg der Selbstwerdung begleite, ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht.

Eine Frau hat sich im Laufe der Jahre so sehr verändert, daß ihre Kinder sie kaum wiedererkennen, ihre Enkelkinder aber auf sie zufliegen. Diese spüren instinktiv, daß ihre Oma endlich diejenige ist, die sie sein sollte, nämlich SIE SELBST.

SELBST zu werden, bedeutet intensive Arbeit an der eigenen Persönlichkeit. Manche Menschen nehmen sie auf sich, freuen sich, wenn sie es geschafft haben und arbeiten auch dann noch weiter an ihrer Entwicklung.

Ich begleite aber auch Menschen, die auf dem Weg ihrer Änderung guten Erfolg hatten, dann aber Angst bekamen, weiter an sich zu arbeiten, und auf dem erreichten Stand verharren, ähnlich wie Hänschenklein: „Da besinnt sich das Kind, läuft nach Haus geschwind.“

Wieder andere kommen auf mich zu mit der inneren Haltung: „Sie sind wunderbar, aber Sie können mir auch nicht helfen!“ Solche Menschen wollen sich nicht wirklich ändern, wofür es verschiedene Gründe geben kann. Von einem Arzt, den ich begleite, habe ich gelernt, ihnen zu sagen: „Ich habe eine Bitte: Überschlagen Sie mich!“

Eine als Kompliment gemeinte Begrüßung lautet: „Du hast Dich ja gar nicht verändert!“, ebenso wie die Verabschiedung: „Bleib so, wie Du bist!“

Aber unser irdisches Leben ist Entwicklung. Man kann nicht zweimal in denselben Fluß springen. Unsere physische Entwicklung sollte uns ein Vorbild sein. Aber statt ein Kind zu werden, wie Jesus es wünscht, werden manche Menschen kindisch und „sterben“ bereits mit 17 Jahren, werden aber erst mit 70 endlich begraben.

Siehe auch

Diese vier Erlebnisse im Leben können die Persönlichkeit für immer verändern

und

Wie "Zwölf Stämme" ihre Kinder züchtigt.