
7.7.2022
Ursprung und Analyse des sexuellen Mißbrauchs
Die Medien sind voll von Statistiken über den sexuellen Mißbrauch in Familien, in Vereinen, in der Kulturszene und auch in den Kirchen unterschiedlicher Konfessionen. Aber nur äußerst selten spricht man über die Ursachen. Es geht um die Einstellung zur Sexualmoral, vor allem in der katholischen Kirche, in der es in dem die Geschlechtlichkeit betreffenden Sechsten Gebot nur schwere Sünden gibt.
In der augenblicklichen Diskussion beklagt man, in den Priesterseminaren habe man zuwenig über Zölibat und Sexualität gesprochen.
Während meiner Zeit als Spiritual (1974-1992) am Collegium Borromaeum in Münster – damals eine Vorstufe zum Priesterseminar, heute sind beide Häuser wegen Mangels an Nachwuchs zum „Bischöflichen Priesterseminar Borromaeum“ zusammengelegt – habe ich achtzehnmal eine sogenannte „Zöliwoche“, wie die Studenten die Kurswoche nannten, mit den jungen Männern gestaltet. Thema waren jeweils die drei Evangelischen Räte Armut, Gehorsam und Keuschheit. Der Zölibat stand bei den Studenten im Vordergrund, daher die Bezeichnung „Zöliwoche“.
Die Priester, die ich heute noch begleite, sagen mir, den Vorwurf, zuwenig über Sexualität gesprochen zu haben, könne man mir nicht machen. Ich hätte zwar wenig über Mißbrauch gesprochen, der zu der Zeit auch noch nicht aufgedeckt war, wohl aber viel über Aids. Damals kam eine HIV-Infektion noch einem Todesurteil gleich, und das Sterbedatum war fast zu berechnen. Heute haben Aids-Infizierte eine nahezu normale Lebenserwartung.
Die Diskussion um den sexuellen Mißbrauch von Priestern nicht nur mit Kindern hat mich veranlaßt, ein Versprechen einzulösen, daß ich den Theologiestudenten damals gegeben hatte. Sie sollten eine schriftliche Zusammenfassung von dem, was wir in den Kurswochen über die Evangelischen Räte erarbeitet hatten, bekommen.
Am Ende meiner Zeit als Spiritual am Collegium Borromaeum wollte ich diese bereits veröffentlichen, fand aber zum großen Bedauern der Studenten keinen Verlag, der bereit war, diese Thematik zu drucken.
Nun hat der Verlag nick emotion Medienproduktion Nicole Dick, Billerbeck das Buch herausgegeben.