
26.4.2023
Von einem Extrem ins andere
Das gilt auch für unsere Vorstellung von Gott.
Ist er ein strenger Richter oder ein barmherziger Vater? Vielleicht brauchen wir beides, wie wir von allem einen Teil brauchen und mal das eine und mal das andere im Vordergrund steht.
In dem inzwischen im Neuen Gotteslob nicht mehr aufgeführten Lied „Strenger Richter aller Sünder, der du uns so schrecklich drohst, doch als Vater deiner Kinder unser einz’ger Schutz und Trost…“ (GL 1996 Nr. 918) sehen die Menschen Gott sowohl richtend als auch Barmherzigkeit erweisend.
Früher drohte man den Kindern mit der Hölle, falls sie nicht brav seien. Heute hat sich das sehr geändert. Gott wird nicht mehr als „strenger Richter aller Sünder“ gleich einem weltlichen Richter gesehen, sondern als milder, gütiger und liebender Gott, dem man sich vertrauensvoll zuwendet, manchmal sogar mit den recht lockeren Worten: „Der Vater wird es schon richten, es gehört zu seinen Pflichten.“ Wir fallen leicht von einem Extrem ins andere.
Wir sind so erschaffen, daß wir auch schuldig werden können. Aber wie oft erwähnen wir im Gottesdienst, daß wir Sünder sind und nicht würdig. Zu Beginn jeder Meßfeier klagen wir uns an: „Mea culpa, mea maxima culpa.“ Das rührt noch aus der alten Liturgie. Früher durfte man nicht zur Kommunion gehen, ohne vorher gebeichtet zu haben.
Unter der Überschrift „Um zu richten“ und den einleitenden Zeilen „Der liebe Gott ist tot. Ein friedensethischer Einspruch gegen die harmlose Lesart des Evangeliums“ veröffentlichte die F.A.Z. vom 26. April 2022 einen sehr lesenswerten Artikel von Gabriele und Peter Scherle.
Link zum aktualisierten Artikel unter faz.net
Nach Ansicht der Autoren läßt sich angetanes Unrecht durch die menschliche Gemeinschaft nicht kompensieren. Sie erklären: „Im Gruß „Vergelt’s Gott“ ist das durch den Adressaten markiert, also durch den Appell an Gott, Gutes zu vergelten. Der Gruß rechnet damit, daß es einen Horizont menschlichen Zusammenlebens gibt, der das abgegoltene Gute und Schlechte noch umgreift.“ Die Autoren verweisen auf eine Beschreibung im „jüdischen Tenach und der christlichen Bibel“ bezüglich der „Erwartung eines göttlichen Gerichts am Jüngsten Tag“.
Weiterhin erwähnen sie eine Abschwächung der Evangeliumsverkündigung und der Gebete von Psalmen, die auf einen Gott als Richter hindeuten, was zu einer Verringerung der Wahrnehmung eines Jüngsten Gerichtes führt. Lediglich im Glaubensbekenntnis gibt es noch den Hinweis: „… er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“
Obwohl die Kirche den gerechten Gott noch oft an die erste Stelle setzt, stellt Papst Franziskus (* 1936) die Barmherzigkeit Gottes vor die Gerechtigkeit.
Wir müssen lernen, in die Mitte zu kommen: zu Gott, dem Barmherzigen und Gerechten.