16.6.2022

Wann ist etwas eine Familie?

Was man heute unter einer idealen Familie versteht „erster Mann, erste Frau, eigene Kinder“ und später vielleicht auch ein eigenes Heim möglichst noch mit Garten, hat es nicht immer gegeben und findet sich heute auch wegen der vielen Scheidungen in vermindertem Maße.

Daß es sich bei der hier genannten Kernfamilie um eine Urinstitution handelt, ist ein Irrtum. Die Großfamilie, die mit mehreren Generationen unter einem Dach lebte, war das Normale.

Die Heilige Familie mit Jesus, Maria und Josef gilt seit 2000 Jahren als Idealbild. Sie bekam im Mittelalter am 27. Dezember sogar ihren eigenen Festtag und ist so ein Bildtypus geworden.

Im Laufe der Zeit bildete sich nach ihrem Vorbild für viele auch eine „Dreifaltigkeit“ als Vater, Mutter, Kind heraus. Ihre aufeinander bezogene Nähe und Intimität verleiht einer solchen Familie eine tiefgreifende Bedeutung. Nicht die Geburt selbst, sondern das Zusammenleben der bürgerlichen Familie wird religiös verstanden, allerdings als kleine bürgerliche Handwerkerfamilie.

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Historisch betrachtet, ist die bürgerliche Familie erst sehr spät entstanden. Die ursprüngliche Form war Mutter und Kind. Anfangs wußte man nicht einmal, wer der Vater der Kinder war. Es galt: Pater semper incertus est - der Vater ist immer ungewiß.

Der Vater kam erst mit der Seßhaftigkeit des Menschen in die Familie. Von da an hatte man auch Besitz und einen Namen, den man vererben wollte.

Ein Römer der Spätantike verstand unter Familie (familia) nicht die Kleinfamilie, wie wir heute. Für ihn war die Familie der unter der unbedingten Autorität des Familienvaters (pater familias) stehende Haushalt (domus), der den Vater selbst, seine Frau, seine Kinder und seine Sklaven sowie weitere Angehörige umfaßte.

Die traditionelle Familie ist in Deutschland im bürgerlichen Gesetzbuch von 1899, Art. 6 verankert. Im Laufe der Zeit gab es immer wieder Versuche, die Familie abzuschaffen. Dabei galt es, vor allem zwecks des Erbens und Vererbens eindeutige Abstammungs- und Verwandtschaftsverhältnisse darzulegen.

Nach der Russischen Revolution von 1917 entschieden sich die Bolschewisten, die Familie als eine Einheit abzuschaffen, indem sie zum Beispiel, um die Auflösung zu unterstützen und zu beschleunigen, zahlreiche Kinder in staatlichen Heimen aufzogen.

In Palästina gründeten die Juden ländliche Gemeinschaften, sogenannte Kibbuzim. Dort gab es nicht mehr das traditionelle Familienleben der osteuropäischen Juden, sondern man lebte statt dessen revolutionäre Formen der Gruppendynamik. In jedem Kibbuz wurden die Kinder in Gruppen erzogen, aber sie fühlten sich mehr zu ihren Eltern hingezogen.

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Der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt (1928-2018) war der Meinung, Familie sei keine Erfindung des Menschen, sondern eine „biologische Voraussetzung der menschlichen Existenz“.

Die Familie bietet Geborgenheit und Intimität. In ihr lernt der Mensch, wie er sich in der Gesellschaft zu verhalten hat, und die Kinder ahmen das Verhalten der Erwachsenen nach.

Familien haben Bestand; denn der Mensch hat eigene Gene, um sein Erbgut zu erhalten. Der einzig sichere Weg in die „Unsterblichkeit“ besteht darin, Nachwuchs zu zeugen.

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Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, in einer Gemeinschaft zusammenzuleben. In Flandern entstanden im späten 13. und 14. Jahrhundert sogenannte Beginenhäuser. Sie bildeten Viertel, in denen Frauen in ganz unterschiedlicher Weise zusammenlebten. Manche bauten Unterkünfte nur für sich selbst, andere wohnten gemeinschaftlich, und alle gingen irgendeiner Arbeit nach. Ähnlich wie damals die Beginen, bilden auch heute Frauen eine Wohngemeinschaft. Mit der steigenden Lebenserwartung kommen inzwischen in unserer Zeit nicht nur sogenannte Mehrgenerationenfamilien, sondern auch Mehrgenerationenhäuser auf.

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Durch die Möglichkeit der Samenspende und der künstlichen Befruchtung werden heute mehr Frauen, die die Kinder gebären, zu Müttern als Männer, durch die die Kinder gezeugt wurden, zu Vätern. In Zeiten von der in Deutschland allerdings verbotenen Leihmutterschaft und Eizellenspende steht in Zukunft vermutlich auch die Mutter nicht mehr fest und ist nicht mehr unbedingt klar, von wem genau, beziehungsweise von wie vielen Menschen ein Kind abstammt.

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Die sakramentale Ehe im Christentum verdeutlicht, daß die Liebe etwas den Menschen Überschreitendes in sich birgt, etwas von der Liebe Gottes. Gott ist der ganz andere, er ist erfahrbar in seiner Liebe. Er ist der Schöpfer des Menschen als Frau und Mann. Die Begegnung von Frau und Mann ist Teilnahme an der Schöpferkraft Gottes

Siehe auch FAZ.NET vom 6. November 2021 „Wie wir in Zukunft Kinder kriegen“.