Was bleibt immer dasselbe ohne Veränderung?
Die Schöpfung ist veränderlich, aber zu uns Menschen gehört unsere unveränderliche Seele. Die „Kalender-Zeit“ zeigt unsere Vergänglichkeit an, die „Seelen-Zeit“ das Ewige in uns, das schon vor unserer Empfängnis und Geburt in Gott existierte und nach unserem Sterben nicht ausgelöscht wird. Davon bin ich überzeugt und glaube fest daran!
Mythen setzen diese Wahrheit ins Bild.
Das Schiff Argo wird auf seiner Reise beständig Einzelteil für Einzelteil renoviert. Deshalb ist es irgendwann nicht mehr dasselbe Schiff, dennoch nennen seine Passagiere, die Argonauten, es immer noch beim selben Namen: Argo. Und dadurch ist es eben doch dasselbe Schiff. Ein Mensch, der „Ich liebe dich“ sagt, gleicht in gewisser Weise den Argonauten; denn er kann denselben Satz immer wieder auf ein und dieselbe, aber sich wandelnde Person beziehen.
Das Schiff, auf dem Theseus mit den Jünglingen losgesegelt und auch sicher zurückgekehrt war, eine Galeere mit 30 Rudern, wurde von den Athenern bis zur Zeit des Demetrios Phaleros (350-280 v. Chr. G.) aufbewahrt. Von Zeit zu Zeit entfernten sie alte Planken daraus und ersetzten sie durch neue. Das Schiff war daher für die Philosophen eine ständige Veranschaulichung in bezug auf die Streitfrage der Weiterentwicklung; denn die einen behaupteten, das Boot sei nach wie vor dasselbe, die anderen hingegen, es sei nicht mehr dasselbe.
Wir Menschen sollten in uns wahrnehmen, was ewig ist und was sich immerfort ändert. Wir müssen üben loszulassen. Beim Atmen geschieht dies unbewußt. Wenn wir zu konservativ (conservare (lat.) = bewahren, beibehalten) sind, stoppen wir unsere Veränderung; sind wir aber zu progressiv (progredi (lat) = fortschreiten, vorrücken) zerstören wir unsere Bindung an das Ewige.
„Wolle die Wandlung!“ (Rainer Maria Rilke)
Wolle die Wandlung. O sei für die Flamme begeistert,
drin sich ein Ding dir entzieht, das mit Verwandlungen prunkt;
jener entwerfende Geist, welcher das Irdische meistert,
liebt in dem Schwung der Figur nichts wie den wendenden Punkt.
Was sich ins Bleiben verschließt, schon ists das Erstarrte;
wähnt es sich sicher im Schutz des unscheinbaren Grau´s?
Warte, ein Härtestes warnt aus der Ferne das Harte.
Wehe -: abwesender Hammer holt aus!
Wer sich als Quelle ergießt, den erkennt die Erkennung;
und sie führt ihn entzückt durch das heiter Geschaffne,
das mit Anfang oft schließt und mit Ende beginnt.
Jeder glückliche Raum ist Kind oder Enkel von Trennung,
den sie staunend durchgehn. Und die verwandelte Daphne
will, seit sie Lorbeern fühlt, daß du dich wandelst in Wind.
Aus: Die Sonette an Orpheus, Zweiter Teil
Ohne Veränderung bleiben nur Gott und die Ewigkeit, weil es für sie keinen Raum und keine Zeit gibt, sondern nur das ewige JETZT.