20.11.2021

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was wissen wir vom Sterben und vom Tod?

Was macht den Menschen so besonders? Von allen Lebewesen weiß allein der Mensch, daß er sterben wird. Er weiß es aber nur auf Grund seiner Erfahrung. Adam erfuhr es mit dem Tod seines Sohnes Abel. Zu wissen, daß man sterben muß, ist das eine, aber den Tod wirklich zu erfahren, seine Bedeutung zu erkennen, ist etwas völlig anderes. Wir haben aber keine Möglichkeit zu sterben, nur um eine Erfahrung vom Tod zu gewinnen. Der Tod bleibt im Dunkel. Der Tod eines geliebten Menschen bringt uns in Kontakt mit dem Sterben und läßt uns auch unseren eigenen Tod erahnen.

Mascha Kaléko (1907-1975) formulierte sehr treffend: „Den eignen Tod, den stirbt man nur; doch mit dem Tod der andern muß man leben.“

Die Erfahrung des Todes wird durch die Erfahrung der Auferstehung Jesu verändert. Diese beruht aber nicht auf Wissen, sondern auf Glauben, und dieser widerlegt die Aussage: „Es ist noch nie jemand wiedergekommen.“

Wie anders ist das bei unserer Geburt. Niemand fängt bei Null an. Wir sind alle Hinterbliebene und im Denken der Kirche mit der Erbsünde belastet. Etwas Ähnliches wie die Erbsünde sind die Einschärfungen, die Eltern ihren Kindern „eintrichtern“ und die den Menschen ein Leben lang begleiten. Die Psychologie spricht von einem „Skript“, das an die nächste Generation weitergegeben wird. Es kostet viel Mühe, sich davon zu befreien, damit wir wirklich ins Leben finden und nicht schon sterben, bevor wir begraben werden.

Der Tod bedeutet nicht das Ende des Lebens. Er ist ein Verwandler. Es gibt nichts Totes, es sei denn, wir erklären es für tot.

Das Sterben ist ein Prozeß und dieser Prozeß ist individuell. Jeder Mensch geht seinen eigenen Weg. Niemand verdurstet oder verhungert am Lebensende. Der Sterbende braucht nichts mehr zu essen oder zu trinken, weil die Körperfunktionen komplett heruntergefahren werden. Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme würden den Sterbenden sogar sehr belasten.

Für viele Menschen ist es noch wichtig, sich zu versöhnen, sei es mit anderen oder mit sich selbst. Als eine Möglichkeit, im Frieden auf das Sterben zuzugehen, empfehle ich zum Beispiel, eine Lebens-Chronik zu schreiben. So lassen sich viele glückliche Momente des Lebens ins Bewußtsein bringen. Man sollte eine solche Chronik handschriftlich verfassen. Im Gegensatz zur Schreibmaschine sind beim Computer-Tastenfeld der Tippgeschwindigkeit keine Grenzen mehr gesetzt, so daß bis über 500 Anschläge pro Minute geleistet werden. Dies übersteigt bei weitem die Geschwindigkeit der Handschrift. Beim langsamen und überlegten Schreiben können sich die Empfindungen mit dem Inhalt der Worte verbinden.

Es gilt, sich mit der Vergangenheit und allem Fehlerhaften auszusöhnen. Das bedeutet, sich diesbezüglich auch selbst zu verzeihen. Vielleicht hat das Böse, das einem selbst zugedacht war, auch Gutes bewirkt. Der ägyptische Josef konnte seinen Brüdern, die ihn umbringen wollten, sagen: „Ihr habt Böses gewollt und Gutes erreicht (vgl. Gen 50,20).“

Was noch zu sagen ist, sollte bald geschehen. Sterbende können noch vieles verstehen, selbst wenn sie nicht mehr antworten; denn das Gehör schwindet als letztes. Dazusein, die Hand zu halten und etwas zu erzählen, ist das Wertvollste, was man für einen Sterbenden tun kann.

Heinrich Heine 1797-1856
Wo?

Wo wird einst des Wandermüden
Letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?
Werd' ich wo in einer Wüste
Eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh' ich an der Küste
Eines Meeres in dem Sand?
Immerhin! Mich wird umgeben
Gotteshimmel, dort wie hier,
Und als Totenlampen schweben
Nachts die Sterne über mir.