11.1.2019

Wasser als Lebenselement

Da das Leben aus dem Wasser kommt, kennt dieses die Zukunft des Lebens. Wassergottheiten sind orakelgebende Gottheiten; zahlreiche Orakelstätten befinden sich an Quellen. So versetzte zum Beispiel in Delphi heißer Wasserdampf die Priesterin Pythia in Ekstase. In Babylon wird der Ozean „Haus der Weisheit“ genannt.

Wenn man unter den erlesensten Getränken eines wählen könnte, von dem man soviel trinken könnte, wie man möchte, aber unter der Bedingung, es ewig trinken zu müssen, wählte vermutlich ein jeder WASSER. Allein das Nichts, in diesem Fall das Getränk ohne einen bemerkenswerten Geschmack, wird in Ewigkeit nicht langweilig, das heißt, dieses Lebenselixier ist angemessen, das Ewige zu beschreiben.

Wasser ist eine ganz und gar ungewöhnliche Flüssigkeit, vielleicht die ungewöhnlichste auf Erden, die wichtigste auf jeden Fall. Es ist die wertvollste Gabe der Natur und gilt als das Lebensmittel Nummer eins. So dient es als Metapher für Leben schlechthin, Wasser ist Leben.

Wir kennen das „Wasser des Lebens“ aus den Mythen, Sagen und Märchen bis hin zu Jesus, der bei den Gesprächen am Jakobsbrunnen vom „lebendigen Wasser“ spricht (vgl. Joh 4,10).

Auch wenn man Ende des 18. Jahrhunderts entdeckt hat, daß Wasser aus Wasserstoff und Sauerstoff besteht, so bleibt es doch ein Urelement und ein mythisch beladener Stoff. Wasser ist „mehr“ als H2O. Dieses chemische Element läßt sich nur künstlich gewinnen und eignet sich nicht als Trinkwasser; denn dieses kommt aus der Tiefe des Grundwassers, wo es in Sand- und Gesteinsschichten filtriert wurde und keine Bakterien, Viren, Düngemittel, Insektizide, Pestizide, Waschmittelreste, Fäkalien oder Schwermetallrückstände aus industriellen Produktionen enthält. In dem Dossier der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 15. September 1989 mit dem Titel „Aus Wasser wird H2O“ findet sich folgendes Zitat von Ivan Illich (1926-2002): „Wasser war durch die Geschichte als Stoff der Reinheit empfunden worden: Heute ist H2O der Stoff, der gereinigt werden muß, um das menschliche Überleben zu sichern. H2O und Wasser wurden zu Gegensätzlichkeiten.“

Neben der chemischen Reinheit sind die lebendigen Formkräfte wichtig. Diese fehlen in mechanisch oder biologisch gereinigten Abwässern. Mit gesundem Wasser nimmt der Mensch gestaltbildende Kräfte des Kosmos in sich auf.

Wasser bleibt unter den Bedingungen unserer Erdatmosphäre für immer Wasser, ob flüssig, als Gas oder als Eis. Kein Tropfen davon geht für immer verloren. Diese Gabe wird uns geliehen, wir können sie nicht verbrauchen, sondern nur gebrauchen und sie der Natur gebraucht zurückgeben. Aber oft geben wir sie ihr mißbraucht zurück. Kein Lebensmittel unterliegt einer strengeren Kontrolle als unser Wasser, mit dem wir so gedankenlos umgehen. Jeder einzelne trägt Verantwortung für einen sinnvollen Umgang mit Wasser.

Was können wir tun?
- Einen Tag beobachten, wozu wir Wasser gebrauchen und wo wir es verschwenden.
- Versuchen, einen Tag ohne Wasser auszukommen.
- Sich kalt abwaschen statt zu duschen.
- Aus einer Quelle Wasser trinken.
- Zur Reinhaltung des Wassers beitragen.

Wir müssen sparsam mit Wasser umgehen; denn
- die Entnahme von Grundwasser darf nicht gesteigert werden, wenn wir schwerwiegende Folgen für die Bodenstruktur vermeiden wollen.
- die Aufbereitung von Oberflächenwasser ist sehr aufwendig und teuer.
- jede leichtfertige Verschmutzung muß mit Technik und Geld wettgemacht werden.
- die Frage in bezug auf Reinigungssysteme: „Wohin mit den Abfällen?“, bleibt unbeantwortet.

Franz von Assisi (1181-1226) betete im Sonnengesang:
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
sehr nützlich ist sie und demutsvoll (demütig)
und köstlich und rein (keusch).

Antoine de Saint-Exupéry (1900–1944) schreibt in „Wind, Sand und Sterne“:
Wasser, du hast weder Geschmack noch Farbe, noch Aroma. Man kann dich nicht beschreiben. Man schmeckt dich, ohne dich zu kennen. Es ist nicht so, daß man dich zum Leben braucht: du selbst bist das Leben! Du durchdringst uns als Labsal, dessen Köstlichkeit keiner unserer Sinne auszudrücken fähig ist. Durch dich kehren uns alle Kräfte zurück, die wir schon verloren gaben. Dank deiner Segnung fließen in uns wieder alle bereits versiegten Quellen der Seele. Du bist der köstlichste Besitz der Erde. Du bist auch der empfindsamste, der rein dem Leib der Erde entquillt. Vor einer Quelle magnesiumhaltigen Wassers kann man verdursten. An einem Salzsee kann man verschmachten. Und trotz zweier Liter Tauwasser kann man zugrunde gehen, wenn sie bestimmte Salze enthalten.
Du nimmst nicht jede Mischung an, duldest nicht jede Veränderung. Du bist eine leicht gekränkte Gottheit! Aber du schenkst uns ein unbeschreiblich einfaches und großes Glück.

Welches Glück schenkt mir das Wasser?