18.8.2022

Wer immer nur lernen will, bringt sich um seine Gegenwart

„Man lernt nie aus!”, sagt der Volksmund. Aber es darf nicht beim Lernen bleiben. Wir lernen für die Zukunft aus den Lehren der Vergangenheit. „Non scholae sed vitae discimus”  - „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.” (Seneca * etwa im Jahre 1; † 65 n. Chr. G.)

Die Schule vermittelt Lerninhalte, aber sie sollte den Schülern ebenfalls beibringen, sich im Leben zurechtzufinden. Sie kann nicht alle Fragen des Lebens klären, aber ihnen die Werkzeuge mitgeben, die sie brauchen, um sich die Antworten selbst zu suchen. Das gilt auch für jede weitere Ausbildung. Oft ist sie zu wenig am praktischen Leben orientiert. Wichtig ist der konkrete Alltagsbezug zum Erlernten.

Es kommt nicht nur darauf an, was man gut kann, sondern auch warum es so gut gelingt.

Eine Frau minderte immer, wenn sie etwas gut gemacht hatte, ihren Erfolg, indem sie sagte: „Das können doch alle!“ Sie mußte lernen, daß in ihr etwas angelegt ist, was sie selbst entwickelt hat. Wenn Begabungen nicht gefördert werden, können sie leicht verkümmern. Für viele Menschen liegen ihre Begabungen im blinden Fleck, das heißt, sie tun sich sehr schwer, diese überhaupt zu erkennen. Dann ist es wichtig, daß ihnen jemand sagt, was er ihnen zutraut.

Ein abgespaltenes Ge­gen­über wird zum Feind, der bedroht. Wenn er aber zum Gegner wird und damit zum Gegenüber, kann man von ihm lernen.

Fehler sind Fehler; aber die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen, indem man sie entsprechend korrigiert, ist eine der größten Errungenschaften der psychischen Freiheit. Wer keine Fehler macht, lebt falsch. Durch Fehler werden wir schuldig, aber sie sind dazu da, um daraus zu lernen. Im Geschehen der Reue bekommt die Vergangenheit einen neuen Sinn. Ohne Reue lernen wir nichts. Buße kann auch heißen: „Laß dir etwas Neues einfallen!“ Selbst der Sinn der Schuld kann in ihrem Anstoß zur Wandlung bestehen. Eingestandene Fehler können zu ausgestandenen Fehlern werden. Es ist wichtig, nicht in alte Fehler zurückzufallen. Weisheit läßt sich nicht lernen. Sie ist die Summe der Lebenserfahrung des wachen Geistes.

Es gilt nicht, keine Fehler zu machen, sondern sich zu bemühen, mit Fehlern zu leben und aus ihnen zu lernen. Der Weise macht ebenso Fehler wie der Dummkopf. Doch der Weise begeht einen Fehler nur einmal, der Dummkopf immer wieder. Versuchen wir fehlerfreudig, aber weise zu sein.

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Lernen wir das Unerbittliche kennen? Und was lernen wir daraus? Durch stetes Ler­nen lassen sich die geis­tigen Kräf­te bewahren, womit die Min­derung der kör­per­lichen Kraft mehr als kompensiert wird. Man muß lernen, das eigene Altwerden als Vorbereitung auf das Altsein zu akzeptieren und zu nutzen.

Als ich frisch aus der Volksschule in die Maurerlehre kam, frag­te man mich: „Junge, Du hast doch gut gelernt. Wie heißt es? „Laß mich oder laß mir arbeiten?“ Ich gab brav die richtige Antwort, wurde aber korrigiert: „Du mußt hier doch noch et­was lernen: Laß andere arbeiten!“

Siehe auch Lernen wir das Unerbittliche kennen?

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