25.4.2019

Wie gehen wir mit Vorurteilen um?

Oder ist da jemand, der keine hat? Zu leicht sehen wir nur das, was wir schon kennen oder was wir sehen wollen. Und „Vorur­teile sind schwerer zu zertrümmern als Atome.“ (Albert Ein­stein).

Haben wir etwas aus dem Evangelium gelernt? „Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Hei­mat.“ (Mk 6,4) Sind wir besser als die Leute aus Nazareth? Dort lebte Josef mit seiner Frau Maria, und 30 Jahre lebte auch Jesus bei ihnen. Vermutlich hat er dem Vater in der Werkstatt geholfen. „Dann soll er sich auch gefälligst wie ein Handwerker verhalten!“, meinen die Leute. Aber er lehrte „mit Vollmacht“, wie es an anderer Stelle heißt (Mt 7,29). Jesus spürt ihre Verwunderung und hält ihnen eine Standpauke. Die Reaktion ist Wut.

So ist noch heute die Reaktion, wenn Vorurteile hinterfragt werden. Aber ist das nicht ganz natürlich, wenn wir zum Beispiel immer nur das hören, was wir hören möchten, was uns bestätigt?

Wie sollen wir da aber zum Glauben kommen? Letztendlich ist es unglaublich, was da unserem Glauben zugemutet wird. Bei Stephanus flogen auch Steine, als die Menschen seine Predigt nicht mehr hören wollten. Sie hielten sich die Ohren zu. Wollen wir etwas ändern?

Ein Vorurteil ist eine im allgemeinen wenig reflektierte Meinung. Im ursprünglich wörtlichen Sinne ist es ein vorläufiges Zwischenergebnis, ein Vor-urteil, während der Entwicklung eines endgültigen Urteils. Aber wenn wir dieses erst gar nicht abwarten wollen, nehmen wir das Vorurteil als das endgültige. Es paßt uns so schön in den Kram, schade, aber auch unangenehm, wenn wir am Ende unsere Meinung ändern müßten. Es gilt, den Menschen ohne Wertung zu begegnen. Dieser gebührt, falls überhaupt, erst nach intensivem Kennenlernen ein Platz, erst recht, wenn ich Vorurteile habe, die beim Kennenlernen eines Menschen abge­baut werden könnten.

Menschen ändern ihre Einstellung am ehesten, wenn sie sonst Nachteile in Kauf nehmen müßten. Vorurteile sind nicht notwendigerweise abwertend. Zu den aufwertenden Vorurteilen zählt die Sicht des Verliebten auf die Geliebte. Wir sprechen von der rosaroten Brille. Die Wirklichkeit wollen wir auch in diesem Fall nicht sehen, sie könnte den schönen Schein zerstören.

Ein Vorurteil ist auch das Vertrauen eines kleinen Kindes in die unbegrenzten Fähigkeiten und Kräfte der Eltern. In der Kindheit ist das auch gut so.

Vorurteile sind jedoch oft negative oder ablehnende Einstellungen einem Menschen, einer Menschengruppe, einer Stadt oder Gemeinde, einer Nation oder generell einem Sachverhalt gegenüber. Vorurteilsbildung wird als „Übergeneralisierung“ interpretiert, bei der unzulässigerweise von einzelnen Eigenschaften eines Individuums auf Eigenschaften aller Individuen einer Gruppe geschlossen wird. Sie können zu Intoleranz und Diskriminierung führen.

Ein Vorurteil ist ein voreiliges Urteil, das überhaupt nicht oder nur sehr ungenügend durch Erfahrungen gestützt wird oder sogar ohne jegliche Erfahrung gefällt wird. Es handelt sich meist um ein generalisierendes Urteil, das heißt, es bezieht sich nicht nur auf einen Einzelfall, sondern auf zahlreiche, unbelegbare Gegebenheiten. Häufig hat es Klischeecharakter und wird vorgetragen, als sei es selbstverständlich und unwiderlegbar. Neben beschreibenden oder theoretisch erklärenden Aussagen enthält es direkt oder indirekt auch richtende Bewertungen von Menschen, Gruppen oder Sachverhalten.

Ein Vorurteil unterscheidet sich von einem Urteil grundlegend durch fehlerhafte und starre Verallgemeinerung. Es braucht eine gehörige Portion Anstrengung und Mut, sich seines eigenen gesunden Verstandes zu bedienen.

Gelingt mir der Vorsatz von Kirsten Westhues „Ich will in den Sand malen, bevor mein Urteil fällt“?

Kirsten Westhues:
Ich bin schnell in meinem Urteil.
Ja. Nein. Gut. Schlecht. Schwarz. Weiß.
So einfach ist das.
Es reicht ein Blick. Dann fällt es.
Schnell und hart.
Das Urteil.
Guillotinenhaft.

„Die spinnt doch.“
„Der hat sie doch nicht mehr alle.“
„Meine Güte, wie kann man denn
so dämlich sein.“

Jesus malt in den Sand.
Warum, das habe ich nie verstanden.
Jetzt weiß ich’s:
-

Er verordnet allen Scharfrichtern und
Schnellurteilern eine Denkpause.

„Wer von euch ohne Sünde ist,
der werfe den ersten Stein.“
Abwarten.
Nachdenken.
An die eigene Nase packen.
Klappe halten.

Ich will in den Sand malen,
bevor mein Urteil fällt.