Wie passen Ordnung und Unordnung zusammen?
Paul Claudel (1868-1955) sieht beide Seiten als eine Einheit. In seinem Weltspiel „Der seidene Schuh“ heißt es: „Die Ordnung ist die Lust der Vernunft, aber die Unordnung ist die Wonne der Phantasie.“
Der pensionierte Klever Forstamtsleiter Hanns-Karl Ganser (* 1953) berichtete auf RP ONLINE, was Totholz von einem zwischen 500 und 600 Jahre alten Baum für den Wald bedeutet.
„Totholz ist für Pflanzen und Tiere von enormer Bedeutung. Denn es steckt voller Leben. Urteile über den Wald sind schnell gefällt. „Immer noch bekomme ich zu hören, dass früher hier alles ordentlicher ausgesehen hätte.“ Das Chaos ist jedoch gewollt. Flächen werden sich selbst überlassen. An den Stellen wird sichtbar, was das Wort „unwegsam“ bedeutet.“
„Ordnung ist etwas Künstliches, das Natürliche ist das Chaos“, meint Arthur Schnitzler (1862-1931). Chaos stellte die vollkommene Ganzheit dar, als Gott die Welt erschuf (vgl. Gen 1). Es gibt keine Ordnung ohne Chaos und kein Chaos ohne Ordnung. Leben ist eine Gratwanderung auf der Grenze zwischen Ordnung und Chaos, die schließlich zum Tod führt. Ein berühmtes Zitat von Friedrich Nietzsche (1844-1900) lautet: „Man muß noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
Siehe auch „Ordnung ist das halbe Leben“.
Was aber ist mit der anderen Hälfte?
In dem Artikel „Geburt des tanzenden Sterns“ von Otto Paul Hessel heißt es unter anderem: „Lebenswichtig ist der schöpferische Freiraum, in dem ungeordnet und unzensiert fantasiert, gedacht und spekuliert werden kann, in dem die Welt erst einmal wieder bewußt durcheinandergewürfelt werden darf, mit ungewissem Ausgang.“
„Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen.“ Der Suchende findet aber etwas, was er gar nicht gesucht hat, aber doch für ihn wichtig ist.
Eine Ordnung um ihrer selbst willen lähmt. Unordnung kann der Spielraum von Kreativität sein. Eine persönliche Ordnung muß nicht diejenige sein, in der sich andere zurechtfinden.
Ich persönlich versuche Ordnung und Chaos zur Einheit zu bringen, indem ich mein Wohnzimmer einigermaßen in Ordnung halte und ein geordnetes Chaos in meinem Arbeitszimmer habe.
Unordnung bringt Dinge zusammen, die normalerweise räumlich voneinander getrennt sind und deren Zusammenkommen Neues entstehen läßt. Wenn alle Ordnungen aufgelöst sind und alles Mögliche zur letzten Verbindlichkeit wird, sind einige Menschen durch deren Fülle offenbar so verunsichert, daß sie Halt in dem absoluten Symbol „Gott“ suchen.