17.10.2022

Wut

Menschen werden von klein auf erzogen, ihre Aggression zu bändigen, eigene Interessen nicht mit physischer Gewalt durchzusetzen, den inneren Frieden zu respektieren und Krieg zu verabscheuen. Aggressionen hängen mit Wut zusammen. Wut geht unter anderem zurück auf das althochdeutsche Substantiv „wuot = Raserei“, und sie ist ein Signal für eine innere Störung. Ich kann vor Wut schreien, weinen, alles kaputt machen und mich selbst umbringen. Mit Wut kann ich umgehen, indem ich sie ausagiere und um mich schlage, aber ich kann sie auch anschauen und überlegen, was ich verändern kann. Wenn mir zum Beispiel einer einen Stein in den Weg gelegt hat, kann ich ihn anderen an den Kopf werfen, ihn aber auch als Material für eine neue Wegstrecke benutzen.

Wut entsteht aus Bedürfnissen, die durch Macht unterdrückt werden. Macht erzeugt Ohnmacht und diese kann in ohnmächtige Wut umschlagen. Auf diese läßt sich unterschiedlich reagieren. Manche Menschen steigen, indem sie sich der Auseinandersetzung entziehen, durch Depression aus der Ohnmacht aus, andere, die sich verweigern und nicht an Veränderung glauben, steigen durch Resignation aus, und wieder andere ziehen sich in frühe Phasen der Kindheit zurück und passen sich durch diese Regression an. Aus Ohnmacht in Wut auszuweichen, ist aber keine Lösung auf Dauer, ebensowenig wie das Ausweichen in Autoaggression, in Psychosen, in Sucht oder Selbstmord. Eine konstruktive Art, mit der Wutenergie umzugehen, besteht darin, den Weg nach innen zu gehen zur Entlarvung und Entmachtung der eigenen Angst, die unter einem ungestillten Bedürfnis liegt, aber das verlangt Mut. Dieses vom althochdeutschen Begriff „muot = Geist, Seele“ abgeleitete Wort bedeutet auch Kraft des Denkens, Empfindens und Wollens.

Wut ist heftiger als Ärger und schwerer zu beherrschen als Zorn.