„Es ist nicht gut, daß der Mensch allein bleibt“ (Gen 2,18)
Schriftstellen:
Erste Lesung: Gen 2,18-24
Zweite Lesung: Hebr 2,9-11
Evangelium: Mk 10,2-16
Doch heißt es auch: „Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins – ein Fleisch“. (Mk 10,8) So sieht der Schöpfungsbericht in der Genesis den Beginn der Menschheit. Diese Aussage am Anfang der Bibel (Gen 2,18) steht nicht einzig da. Auch andere weniger vertraute Texte der Bibel sprechen davon, daß es nicht gut für den Menschen ist, wenn er alleine bleibt.
Im Buch Kohelet heißt es: „Doch wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt, ohne daß einer bei ihm ist. der ihn aufrichtet.“ (Koh 4.10) Und im Buch Jesus Sirach lesen wir: „Wer eine Frau gewinnt, macht den besten Gewinn: eine Hilfe, die ihm entspricht, eine stützende Säule.“ (Sir 36.29)
Warum ist es nicht gut, daß der Mensch alleine bleibt? Auf diese Frage lassen sich verschiedene Antworten geben. Eine im folgenden begründete Antwort lautet: Weil der Mensch alleine sich unweigerlich für GOTT halten müßte.
Nach dem Satz: „Es ist nicht gut, daß der Mensch alleine bleibt“ heißt es in der Genesis weiter: „Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.“ Wozu soll die Hilfe dienen? Männer haben sie früher als „Küchenhilfe“ verstanden. Gemeint ist aber vermutlich: Frau und Mann können einander eine Hilfe sein, sich selber nicht für GOTT zu halten; vielmehr können sie gerade in ihrer Verschiedenheit einander helfen, zu Gott zu finden.
Der griechische Philosoph Platon spricht in seinem Gastmahl (Kap 14) von einem Zwitter und Kugelmenschen. Dieser Mensch will aber hoch hinaus, er versucht den Aufstieg zum Himmel und greift die Götter an. Darum spaltet Gott ihn in Mann und Frau. Beide Hälften sind dazu bestimmt, sich ewig zu suchen (Kap 16).
Vor der Erschaffung des Menschen als Frau und als Mann hätte der Mensch sich fast notwendigerweise selbst für Gott halten müssen; denn die „bessere Hälfte“ fehlte ihm nicht. Erst die Erkenntnis, daß ihm etwas fehlt, hält ein Geschöpf davon ab, sich selbst für Gott, also den Größten, den Höchsten zu halten.
Nach der Bibel bekommt der Mensch eine Hilfe unmittelbar nach Gottes Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen (vgl. Gen 2.17f.). Und die Schlange weiß später dieses Verbot zu deuten: „Sobald ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf; ihr werdet sein wie Gott.“ (vgl. Gen 3.5)·
Wie Gott sein zu wollen, bleibt die Versuchung des Menschen. Nicht nur die Ärzte nennen wir Götter in Weiß. Es kommt darauf an, das eigene Geschöpfsein zu erkennen und anzunehmen. Die Polspannung von Frau und Mann kann dabei helfen. Polspannung ist ein wichtiger Aspekt der Schöpfung. Schon auf den ersten Seiten der Bibel ist bei der Schöpfung der Welt davon die Rede.
Gott allein ist alles in allem, wie Paulus es ausdrückt. Nur Gott ist „die Coincidentia oppositorum – der Zusammenfall der Gegensätze“. Der Mensch aber soll „ein Pontifex oppositorum – ein Brückenbauer zwischen den Gegensätzen“ sein. Die Existenz des Menschen als Frau und Mann soll ihm helfen, nicht vor der Zeit die Polspannung Frau – Mann aufzugeben. In dieser Erdenzeit ist die Polarität Frau – Mann auszuhalten. Und doch versucht der Mensch dieser Spannung auszuweichen.
Weder Mann noch Frau können für sich alleine beanspruchen, das ganze Menschsein zu vertreten, obwohl jeder etwas vom anderen in sich trägt, was wir mit „anima“ und „animus“ bezeichnen. Die Integration des jeweils anderen in sich, läßt den Mann beziehungsweise die Frau zu einer reifen Persönlichkeit heranwachsen.
Gott erschafft den Menschen als Frau und als Mann. weil er sich in beiden ausdrücken will. Erst in der Liebesbeziehung erweist sich der Mensch als Ebenbild Gottes.
Wenn ein Mann einer Frau begegnet, wird das Weibliche in ihm auf irrationale Weise aktiviert und umgekehrt. Darin liegt Glücksempfinden, aber auch große Verwirrung. Das wäre nochmal ein eigenes Thema.
Es kann weder nur darum gehen, daß der Mensch einen angemessenen Zeitvertreib braucht, noch nur darum, daß so Zeugung möglich wird und der Fortbestand der Menschheit gesichert ist. Die Natur kennt auch eingeschlechtliche Sprossung, und in Bezug auf die modernen Reproduktionstechniken des Menschen wird die Möglichkeit der Klonung diskutiert. Die geschlechtliche Fortpflanzung ist allerdings der ungeschlechtlichen überlegen, da das Zusammenkommen halber Chromosomensätze neue Kombinationen ermöglicht; denn es erfolgt eine Reduktionsteilung der normalen Chromosomensätze auf die Hälfte.
Mit der geschlechtlichen Vermehrung ist auch eine Stabilisierung der Erbanlagen gegeben; denn mütterliches und väterliches Erbgut zusammen sind für eine normale Embryoentwicklung unerläßlich. Allerdings ist der Beitrag, den die Gene von Vater und Mutter zur Entwicklung ihrer Nachkommen leisten, keineswegs gleich.
Über die Fortpflanzung hinaus ist es etwas Wunderbares, wenn in der Begegnung von Frau und Mann etwas Neues entsteht. Beide schenken einander ein neues Erlebnis von Wirklichkeit, etwas, das jeder für sich alleine ohne den anderen nicht haben kann, ja nicht einmal zu ahnen vermag. Krönung dieses entstehenden Neuen ist dann das Kind, das viel stärker ein Ebenbild der Paarbeziehung ist, als ein Ebenbild der beiden Einzelpersönlichkeiten von Mutter und Vater.
Bei der Hilfe geht es darum, daß die Frau erst durch den Mann richtig Frau und der Mann erst durch die Frau richtig Mann wird. Wie das Ich am Du zur Person wird, wie das Kind an Mutter und Vater zur Person wird, so wird der Mann an der Frau zum Mann und umgekehrt. Der Mann erwacht in seinem Menschsein wirklich als Mann, wenn er auf die Frau zugeht; er wird Mann im Angesicht der Frau. Die Gegenwart von Frauen macht die Männer männlicher und die Frauen selbst weiblicher. Die Frau ermöglicht dem Mann das Mannsein, der Mann der Frau das Frausein.
Als Adam Eva erkennt, erkennt er auch sich selbst. Beide fühlen jeweils den anderen als zu sich gehörig. Sie leiden unter der Trennung und haben das Bedürfnis nach Einssein. So heißt es in der Genesis auch gleich im nächsten Vers: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch.“ (Gen 2,24)
Im Volksmund gibt es zwei sich widersprechende Sprichwörter, aber bei näherem Hinsehen geben sie wie im Paradox die ganze Wahrheit frei: „Gleich und gleich gesellt sich gern“ einerseits und andererseits: „Gegensätze ziehen sich an“. Die Gleichheit gilt dem gemeinsamen Menschsein als Frau und als Mann, die Gegensätze beziehen sich auf die Verschiedenheit in der Person. So entsteht wirkliche Gemeinschaft nicht durch Angleichung der Pole, sondern gerade durch die Ergänzung des Fehlenden im jeweils anderen. Erstrebenswert ist eine partnerschaftliche Ehe, in der nicht das Prinzip „Gleiches Recht für Frau und Mann“ gilt, sondern wo Frau und Mann als gleichwertig gelten und sich in ihrer Verschiedenartigkeit ergänzen. Darin besteht meines Erachtens sinnvoll gelebte Polarität, im Sinn von: „Ich bin da, um in dir das zu ergänzen, was an dir fehlt, nicht aber, um deine Leere zu füllen.“