Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. (Mk 13,31)
Schriftstellen:
Erste Lesung: Dan 12,1-3
Zweite Lesung: Hebr 10,11-14.18
Evangelium: Mk 13,24-32
Was Angst macht, ruft eine zweifache Reaktion hervor: Flucht oder Auseinandersetzung. Entweder gehe ich dem, was mir Angst macht, aus dem Weg und ziehe mich zurück, oder ich bin neugierig und fühle mich geradezu angezogen von der Möglichkeit, mich mutig mit meiner Angst auseinanderzusetzen.
Schrecklichen Dingen in Fernsehfilmen verweigere ich mich durch Umschalten, oder ich sehe sie mir leicht gruselnd und mit Gänsehaut an. Wir lassen Zukunftsvisionen über uns ergehen, die allein der Phantasie und dem inneren Zustand der Filmemacher entsprungen sind.
Das Auftauchen von Kometen macht vielen Menschen Angst. Es gab auf Grund dessen sogar bereits Fälle von Suizid. Trotz allem werden die Endzeitgedanken wißbegierig aufgenommen. Astrologie mit allen beängstigenden Voraussagen für die Zukunft und die dunklen Gedanken eines Nostradamus sind „in“; denn man will die Zukunft unbedingt kennen. Hartnäckig forscht man das „dritte Geheimnis von Fatima“ aus und rennt an jeden Ort, wo ein „Seher“, eine „blutende Madonna“ oder eine „begnadete Seele“ ausfindig gemacht wurde. Die natürlichen Erklärungen werden dabei permanent umgangen.
Fragen nach der Zukunft bewegen uns. Man lächelt womöglich darüber und liest dennoch mit Interesse das tägliche Horoskop. Es verwundert nicht, daß Fragen nach der Zukunft auch schon die Menschen in der Bibel beschäftigten.
Die Propheten des Alten Bundes schildern mit den Begriffen und Vorstellungen ihrer antiken Zeit, was von der Zukunft und vom Ende zu erwarten ist. Sie wollen damit aus der allzu bequemen Lebensführung aufrütteln.
Auch Jesus gibt in seiner Verkündigung auf diesbezügliche Fragen seine Antworten. Er verwendet dazu Bilder, wie sie schon im Alten Testament stehen. Sie gehen auf bestimmte menschliche Erfahrungen zurück; denn Menschen erleben zum Beispiel im Krieg so schreckliche Dinge, daß sie meinen, das Ende der Welt sei angebrochen.
Auch den Christen der Urgemeinde waren diese Gedanken und die Fragen nach den „letzten Dingen“ nicht fremd. Deshalb geht Markus in seinem Evangelium darauf ein. Mit Jesus blickt er in der „Wiederkunftsrede“ auf zwei bedrängende Fragen seiner Zeit: Auf den Jüdischen Krieg mit seiner Vorahnung vom Untergang und der Zerstörung Jerusalems und auf die Frage nach dem Ende der Welt. Beides ist miteinander verschmolzen.
Das eine betrifft das jüdische Volk und die Einwohner von Jerusalem. Sie stehen für das gesamte auserwählte Volk Gottes. Das andere betrifft die gesamte Menschheit.
Die schlimmen Erfahrungen des Jüdischen Krieges machen wir in der Welt vieltausendfach. Die Älteren unter uns denken vielleicht an die Phosphorbomben auf Dresden, an den Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki, an Stalingrad und Warschau. Wir alle bekommen täglich Nachricht von Massakern in vielen Kriegsgebieten unserer Erde. Auch die Erinnerung an den Holocaust und das Wiedererwachen des Antisemitismus in unserer Zeit geben stark zu denken.
Sogar die völlige Vernichtung der gesamten Erde ist seit Jahrzehnten vorstellbar, nachdem einige Staaten genügend Raketen und Bomben angesammelt haben, um wirklich alles Leben auszulöschen. Diese Vorstellung von der völligen Zerstörung ist schon längst nicht mehr auf Science-fiction-Romane beschränkt.
Was geht das mich persönlich an? Vielleicht schiebe ich bei der Beschäftigung mit den Fragen nach dem Ende der Welt die Anfrage an mich selbst beiseite. Unabhängig vom Ende der Welt kommt mein persönliches Ende, mein eigenes Sterben. Ist es vielleicht einfacher, den Gedanken an den eigenen Tod wegzuschieben, indem man sich intensiv und neugierig mit dem Ende der Welt befaßt, das doch vermutlich nicht unbedingt während unserer eigenen Lebenszeit zu erwarten ist?
„Was würdest du jetzt tun, wenn morgen die Welt unterginge und du sterben müßtest?“ Eine berühmte Frage. Und berühmt sind die Antworten. „Ich würde noch heute ein Apfelbäumchen pflanzen“, sagte Martin Luther (1483-1546). „Ich würde weiterhin Ball spielen“, erklärte Philipp Neri (1515-1595). Viele Menschen würden durchaus anders antworten: „Ich würde eine schon längst fällige Versöhnung endlich ins Werk setzen; ein wichtiges Gespräch führen; mich tatsächlich bekehren; mich sinnlos betrinken; ...“
Der Blick auf das Ende und auf den Tod bringt vielen Menschen ganz neue Dimensionen ihres Lebens zum Bewußtsein: Eine neue Dichte wird sichtbar, eine neue Entschiedenheit stellt sich ein, und der Blick auf neue Werte öffnet sich. Die Sicht auf eine endgültige Bestimmung bei Gott mag Mut zur Gelassenheit vermitteln.
Etlichen Menschen fällt es vermutlich trotzdem schwer, im Blick auf das Ende auch Gott zu entdecken. Dem Jesuitenpater Alfred Delp gelang dies in ganz besonderer Weise. Im November 1944 schrieb er in sein Gefängnistagebuch: „Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt uns dies gleichsam entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und in den bösen Stunden hängen. Wir erleben sie nicht durch bis zu dem Punkt, an dem sie aus Gott hervorströmen.“
Wenn alles vergeht, dann bleibt uns in der Unsicherheit dennoch das Wort Jesu: „Ich bin bei euch alle Tage, bis die Welt sich vollendet hat.“ (Mt 28,20) Er ist gerade auch dann bei uns, wenn wir persönlich von unserem Leben abberufen werden.
Ein Rahmenvers im Nachtgebet der Kirche bietet sich als Bitte für uns alle an und zugleich als eine Art Verheißung für unsere Zukunft: „Sei unser Heil, o Herr, wenn wir wachen, und unser Schutz, wenn wir schlafen, damit wir wachen mit Christus und ruhen in seinem Frieden.“
Der Evangelist Markus zeigt uns, daß das Ende weder nur ein Untergang noch nur ein Gericht ist, sondern daß vor allem die von Christus, dem Menschensohn, Auserwählten gesammelt und mit ihm vereinigt werden.
Damit ist deutlich: Es geht nicht darum, zu wissen, was kommt, sondern zu wissen, wer kommt. Es ist Christus, der HERR. Und er wird Vollendung bringen. Dafür braucht es unsererseits eine offene Bereitschaft und Wachsamkeit. Wer Christus kennt, kann sich im Blick auf das Ende anspornen lassen, Tag für Tag mit ihm zu leben.