Meine Schafe hören auf meine Stimme
Schriftstellen:
Erste Lesung: Apg 13,14.43b-52
Zweite Lesung: Offb 7,9.14b-17
Evangelium: Joh 10,27-30
Ein Existentialist sagte einmal: „Heute gibt es nur noch Hirten, die sich für das Fleisch der Schafe interessieren, weil man es essen kann, die sich für die Wolle der Schafe interessieren, weil man Stoffe und Kleidung davon machen kann und die sich für die Milch der Schafe interessieren, weil man diese trinken kann, aber es gibt keine Hirten mehr, die sich für die Schafe selbst interessieren.“
Entsprechend könnte man sagen: „Heute gibt es viele Menschen, die sich vor allem für das Geld und dessen Kaufkraft interessieren, viele, die sich sogar für die Krankheit eines Menschen interessieren und einige, die sich für die Arbeitskraft interessieren.“ Wer aber interessiert sich für den Menschen selbst?
Jesus liegen die Menschen am Herzen, er will ihr Hirte sein: „Meine Schafe hören auf meine Stimme; ... ich gebe ihnen ewiges Leben!“ (Joh 10,27f)
In der Apokalypse ist er selbst das Lamm, das uns weiden, uns zu den Wassern des Lebens führen und jede Träne aus unseren Augen trocknen wird.
Jesus hat Menschen berufen, in seine besondere Nachfolge einzutreten, um solche Hirten für die Menschen zu sein, die nicht von der Herde, sondern für die Herde leben.
Gottes Heiliger Geist war bei der Wahl von Papst Franziskus (* 1936) vermutlich sehr hilfreich zugegen. Ich habe den Eindruck, die Kardinäle haben vor allem Wert darauf gelegt, einen Kardinal aus ihrer Mitte zu wählen, der wirklich ein Hirte für die Kirche sein kann. In seinem „Hirtenmantel“, der einfachen schlichten weiße Toga, trat er auf den Balkon des Petersdomes und eroberte mit seinen Worten „Buena sera! – Guten Abend!“ sofort die Herzen der Menschen.
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit erfolgten Handlungen, die keiner seiner Vorgänger in dieser Intensität vorgenommen hatte.
Er ist gegen einen Hofstaat und meidet die Abschottung. Am Gründonnerstag äußerte er: „Der Hirt muß riechen wie seine Schafe.“
Er nimmt seine Mahlzeiten im Gästehaus ein, in dem er auch wohnt. Als der junge philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle (* 1957) an seinen Tisch trat und fragte: „Heiliger Vater, darf ich mich zu ihnen setzen?“, antwortete er: „Ja bitte, Heiliger Sohn.“
Damit Jesu Werk weitergeht, braucht Jesus für die vielen kleinen Herden eigene Hirten: Frauen und Männer, Junge und Alte, die sehen, wo heute geistliche Weiden sind, und die die Fähigkeit besitzen, die Menschen dorthin zu führen.
Vielleicht macht das Beispiel des Papstes jungen Menschen Mut, aufmerksam zu sein und zu horchen, ob sie, in welcher Weise auch immer, berufen sind, Hirten für die Menschen zu sein, wie es ihnen der Papst vorlebt.
Wie Papst Johannes XXIII. (1881-1963) es im Gegensatz zu seinem Vorgänger Papst Pius XII. (1876-1958) wagte, ein Konzil einzuberufen, so traut sich Papst Franziskus eine Kurienreform einzuleiten, eine längst ausstehende Notwendigkeit, vor der sich seine beiden Vorgänger gedrückt haben.
So etwas müßte auch in die Bistümer und Pfarreien Einzug halten. Wie viele Pastöre haben heute noch Zeit, wahre Hirten zu sein? Statt dessen müssen sie sich in ihrer mit Verwaltung zugedeckten Arbeitszeit als wahre Manager erweisen, wofür sie aber nicht ausgebildet sind und auch nicht immer die notwendigen Fähigkeiten besitzen.
Gott Lob wird in unserer Diözese überlegt, den Pastören hauptamtliche Laien an die Seite zu stellen, die die Verwaltungsaufgaben selbstverantwortlich übernehmen.
Wo gibt es noch Berufe, für die man wirklich lebt, ohne daß man vorrangig darauf schaut, was man verdient?
Ich bin jetzt bereits 55 Jahre Priester. Zu keiner Zeit wollte ich lieber Priester mit der Aufgabe eines Spirituals sein als heute. Es gab sicherlich Zeiten, wo priesterlicher Dienst einfacher war, wo es Zeit gab zum Rosenzüchten und zur Besinnlichkeit. Aber der priesterliche Dienst war zu keiner Zeit gefragter als heute, vor allem wenn es über das Soziale, das Caritative und erst recht das religiöse Management hinausgeht. Er ist gefragt bei der Suche nach dem Sinn des Lebens, vor allem bei jungen Menschen.
Ich muß als Priester keine fertigen Antworten bereit haben; denn ich bin selbst ein Suchender und auf dem Weg. Aber ich glaube, die Richtung zu kennen, in der die Antwort zu finden ist. Und das möchte ich weitersagen.
Wir sind alle wie Bettler, aber wir Priester wissen, wo es etwas zu erwerben gibt. Wir sehnen uns alle nach Geborgenheit und den Quellen des Lebens. Hören wir also auf Jesus und folgen unserem Hirten!
Das lateinische Substantiv „pastor“ bedeutet Hirte. Das Hirtenbild gilt nicht nur für Kleriker. In Israel konnten nur diejenigen Könige werden, die auch gute Hirten waren. Auch die Könige sollten nicht von der Herde, sondern für die Herde leben.
Ich persönlich habe den Eindruck, daß zum Beispiel auch unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel vergleichbar lebt.
Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert. Aber nur um des Lohnes willen zu arbeiten, macht letztlich nicht zufrieden. Unser Blick sollte offenbleiben für das, was mit Geld nicht zu kaufen ist. Liebe läßt sich nicht kaufen und vom Tod kann man sich nicht freikaufen.
Jesus, der gute Hirte, will uns führen, aber nicht wie irrtümlich als dumm bezeichnete Schafe, sondern wie gläubige Menschen, die sich für ihn als ihren Hirten entschieden haben.
Haben wir diese Entscheidung getroffen?